Veredelung von Obstgehölzen

Aus Hortipendium
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Bei der vegetativen (ungeschlechtlichen) Vermehrung durch Veredlung der Obstgehölze verwendet man im Gegensatz zur generativen (geschlechtlichen) Vermehrung Pflanzenteile, die bewurzelt werden oder aber auf eine Unterlage veredelt werden. Heiner Schmid beschreibt in seinem Buch Das Veredeln der Obstgehölze „das Veredeln als Maßnahme, Einmaliges zu erhalten und zu vermehren“ sehr treffend.
Die meisten Obstgehölze für den Erwerbsanbau als auch für den Garten werden in der Baumschule veredelt. Hierbei werden günstige Eigenschaften der Unterlagen wie z. B. schwächerer Wuchs, früherer Ertragsbeginn oder bessere Gesundheit auf die Edelsorte übertragen. Mit Ausnahme der Beerenobstarten, die meist auf eigener Wurzel stehen, wird bei allen Baumobstarten so verfahren. Aber auch hier gibt es wieder eine Ausnahme von der Ausnahme, z. B. veredelte Stachelbeerstämmchen.

Die Gründe für das Veredeln sind vielfältig:

  • Erhalten der Sortenechtheit
  • Die Pflanzen werden schnell verkaufsfertig
  • Die Veredelung auf schwachwachsende Unterlagen ermöglicht kleinere Baumformen
  • Die Verwendung spezieller Unterlagen fördert bestimmte Parameter wie früher Ertragseintritt, Robustheit oder Resistenz gegen Krankheiten und Schädlinge, Verbesserung von Fruchtfarbe und –größe etc.

Methoden

Veredelungen werden durchgeführt entweder auf den (Veredelungs-) Kopf einer Pflanze oder seitlich an einer Pflanze. Die wichtigsten Veredelungsmethoden sind:

  • Augenveredlung (Okulation): hierbei werden nur Augen (Knospen) verwendet
  • Reiserveredlung: hierbei werden Reiser mit 3-4 Augen verwendet, die auf den Kopf der Unterlage gesetzt werden
  • Rindenpfropfen: Reiser mit 3-4 Augen werden seitlich hinter die Rinde gepfropft


Die Voraussetzungen für einen guten Veredlungserfolg sind:
Beachtung der Verwandtschaftsverhältnisse und Verträglichkeit: Nicht alle Obstarten und Unterlagen lassen sich problemlos kombinieren.
Die folgenden Verbindungen funktionieren aber sehr gut:

  • innerhalb der gleichen Gattung: Apfel auf Apfel, Birne auf Birne
  • innerhalb verschiedener Gattungen: Birne (Pyrus) auf Quitte (Cydonia)
  • verschiedene Arten innerhalb einer Gattung (z. B. Prunus): Süß- und Sauerkirsche auf Kirsche, Mirabellen, Pfirsich, Aprikose, Zwetsche auf die jeweiligen Sämlinge bzw. generativ vermehrte Unterlagen wie die Haferpflaume (z. B. St. Julien Arten).

„Kambium muß aus Kambium“, d. h. dieses für das verwachsen zuständige Teilungsgewebe beider Partner muss sich so weit wie möglich decken. Scharfes Veredlungswerkzeug für glatte Schnitte, sauberes Arbeiten und sorgfältiges Verbinden.

Überblick über die wichtigsten Veredlungsarten

Damit das Auge oder Reis gut anwachsen kann, kommt dem Verbinden eine große Bedeutung zu. Als Materialien stehen flexible Gummibänder oder Bast zur Verfügung, mit denen das Ganze straff und fest verbunden wird. Nur so wird gewährleistet, dass die beiden Pflanzenteile über die Kallusbrücken zu einem verwachsen.

  Methode Zeitraum Bedingungen Anwendung
Augenveredlung T-Schnitt-Okulation Juli-Sept. Rinde an der Unterlage muss sich lösen alle Obstarten
Chip-Veredelung März-April und Juli-Sept. unabhängig vom Lösen der Rinde alle Obstarten
Reiserveredlung Kopulation Vegetationsperiode und -ruhe Unterlage und Reis gleich dick Kopfveredlung und Winterhandveredlung
Rindenpfropfen verbessertes Rindenpfropfen April/Mai bzw. Juli/August Unterlage deutlich dicker als Edelreis Umpfropfen größerer/älterer Bäume

Im Hobbybereich

Als Hobbyanbauer kann man im Frühjahr im Garten stehende Bäume, deren Sorten aus irgendwelchen Gründen den Ansprüchen nicht mehr genügen oder die trotz reichem Blütenflor kaum Früchte bringen, mit einer anderen Sorte umveredeln. Möglich ist das Umpfropfen eines ganzen Baumes mit einer aktuellen Sorte oder auch mit mehreren Sorten. Auch das Einveredeln einer fremden Sorte in die Krone einer selbstunfruchtbaren Sorte bringt meist den gewünschten Erfolg.
Die Geschichte der Veredelung ist lang und reicht bis in die vorchristliche Zeit. Schon Theophrast (371- 286 v.Chr.) verfasste ein naturwisssenschaftliches Werk mit dem Titel „Über die Ursache des Pflanzenwuchses“, in dem zum ersten Mal das Okulieren und Pfropfen ausführlich beschrieben wurde.
Bekannter, weil öfter zitiert, ist das Gleichnis über die „Veredelung der Guten auf die wilden Oliven” im Paulus Brief an die Römer. Ab dem 8. Jahrhundert förderte Karl der Große das Baumschulwesen in Deutschland entscheidend, so dass die Methoden immer mehr verbessert wurden.

Vorbereitungen

Wer Obstbäume umveredeln (umpfropfen) will, sollte spätestens im Dezember überlegen, welche Sorten von Interesse sind. Edelreiser sollten im Januar, spätestens im Februar geschnitten sein und bis zur Veredlung im Frühjahr an einem kühlen, dunklen Platz, eingeschlagen in feuchtem Sand, aufbewahrt werden. Sie sollten rechtzeitig an die benötigten Arbeitsmaterialien denken, die man zum Umpfropfen benötigt: Baumsäge, Baum- bzw. Astschere, Pfropfmesser, Abziehstein, Raffiabast, Baumwachs (z.B. POMONA Baumwachs, kaltstreichbar).

Welche Veredlungsart wendet man bei welcher Pflanze an?

Hierbei kann man sich ganz gut nach den Größenverhältnis von Edelreis und Auge richten:
So wählt man die Kopulation, wenn die Stärke von Unterlage und Edelreis gleich ist. Das ist wichtig zur Erzielung einer möglichst großen Veredlungsfläche. Um das zu gewährleisten, ist der Schnitt etwa 3-4 cm lang (als Richtwert kann man sich die Größenordnung merken: der optimale Schnitt ist etwa vier mal so lang wie der Durchmesser der Unterlage). Zwei Besonderheiten ermöglichen eine breite Anwendung dieser Veredlungsmethode. Zum einen kann man Kopulationen auch als „Winterhandveredlung“ durchführen, bei denen die getopften oder wurzelnackten unterlagen „in die Hand“ genommen werden. Dadurch kann die Baumschulwirtschaft einen Teil der Veredlungsarbeiten in die arbeitsärmere Winterzeit verlegen. Eine Verbesserung stellt die Kopulation mit Gegenzunge dar: Man schneidet an Unterlage und Edelreis „zungenartige“ Einschnitte, demzufolge lassen sich die beiden Veredlungspartner gut zusammenschieben und besitzen auch beim verbinden eine höhere Festigkeit. Das fordert erfahrungsgemäß eine gewisse Übung und Fertigkeit, so dass sie meist nur von Baumschulisten angewendet wird.
Das gilt auch für die sog. Geißfußveredlung, eine der schwierigsten und aufgrund des ziehenden Schnittes nicht ungefährliche Veredlungsart. Auch sie sollte nur von Profis angewendet werden.


Quellen

Gartenakademie Rheinland-Pfalz