Raupen
Unter dem Begriff „Raupen“ versteht man ganz allgemein die larvalen Entwicklungsstadien von Schmetterlingen (Tag- und Nachtfalter). Während sich die meisten adulten Falter als Blütenbesucher von Nektar ernähren, fressen ihre Raupen (mit einigen Ausnahmen) lebendes pflanzliches Material und treten an vielen Bäumen, Zier- und Kulturpflanzen als Schädlinge auf.
Inhaltsverzeichnis
Merkmale und Körperbau
Raupen besitzen einen langgestreckten, walzenförmigen Körper, der wie bei den meisten holometabolen Insektenlarven in gleichmäßige Segmente gegliedert ist. Auf den Kopf folgen die drei Brustsegmente, die jeweils ein echtes, gegliedertes Beinpaar besitzen. Das Abdomen besteht aus 11 Segmenten, von denen die letzten drei meist zu einem einheitlichen Analsegment verwachsen sind. Das erste Brustsegment und die Abdominalsegmente weisen ein Paar Atemöffnungen (Stigmen) auf. Von den Abdominalsegmenten tragen in der Regel das 3. bis 6. Segment ein Paar Bauchfüße, bei denen es sich nicht um echte Extremitäten, sondern um Hautaustülpungen handelt, die zum Festklammern entweder einen Hakenkranz besitzen oder als Klammerfüße ausgebildet sind. Am Körperende befindet sich nochmals ein kräftig ausgebildetes Bauchbeinpaar, das als Nachschieber bezeichnet wird.
Die Raupe stellt während der Entwicklung vom Ei zum fertigen Falter dass „Fress-Stadium“ dar, bei dem das Körpervolumen um ein Vielfaches erhöht wird.
Abgrenzung zu anderen Insektenlarven
Nicht alles, was wie eine Raupe aussieht, ist auch eine. Es gibt viele andere Insektenordnungen, deren Larven einen ähnlichen Habitus (Erscheinungsbild) und eine ähnliche Lebensweise besitzen. Folgende Tabelle gibt einen kurzen Überblick über die wichtigsten anderen Insektenordnungen mit holometaboler Entwicklung, deren Larven als Pflanzenschädlinge auftreten und mit Schmetterlingsraupen verwechselt werden könnten. Die größte Ähnlichkeit mit Schmetterlingsraupen haben die Larven der Blattwespen. Als grobes Unterscheidungsmerkmal dienen die Bauchfüße, die bei den Blattwespen schon ab dem zweiten Abdominalsegment (d.h. nur ein Bauchfüße-freies Abdominalsegment) vorhanden sind. Typisch für viele Blattwespen ist die s-förmige Schreckhaltung als Reaktion auf Störungen (siehe Abbildung rechts).
Insektenordnung | Unterscheidungsmerkmale (Larven) | Beispiele |
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Schmetterlinge (Lepidoptera) |
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Zweiflügler (Diptera) |
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Glasflügler (Hymenoptera) |
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Unterordnung Pflanzenwespen (Symphyta), insbesondere die Echte Blattwespen (Tenthredinidae) |
Käfer (Coleoptera) |
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Raupen aus unterschiedlichen Familien
Der Begriff Raupen steht, wie bereits erwähnt, für die Larven von Schmetterlingen. Die Ordnung der Schmetterlinge (Lepidoptera) stellt eine große und sehr vielgestaltige Insektengruppe dar, dementsprechend unterscheiden sich sowohl die Falter als auch die Raupen der unterschiedlichen Familien teilweise sehr in Aussehen und Lebensweise. Allen gleich ist jedoch die vollständige Entwicklung (Holometabolie) vom Ei über die Raupe und das Puppenstadium hin zum fertigen Falter.
Nachfolgend werden die Merkmale einiger ausgewählter und für den Pflanzenschutz wichtiger Raupen aus unterschiedlichen Familien dargestellt.
Familie | Merkmale der Raupen | Lebensweise der Raupen/Besonderheiten | Beispiele |
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Trugmotten |
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Blattminierer | Eriocrania subpurpurella: Schädlich an Bäumen in Parkanlagen und Gärten |
Wurzelbohrer |
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Im Boden an den Wurzeln verschiedener Pflanzen | Großer Hopfenwurzelbohrer (Hepialus humuli): Schädling in Wiesen und Rasen |
Zwergmotten |
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Rosenblattminiermotte (Stigmella anomalella) |
Schopfstirnmotten |
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Eichenminiermotte (Tischeria ekebladella) |
Holzbohrer
(Cossidae) |
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Holzbohrend in Stämmen und Ästen von Bäumen und Sträuchern Verpuppung im Frassgang oder in einem Gespinst im Boden |
Rosskastanienbohrer, Blausieb (Zeuzera pyrina) |
Langhorn-Blattminiermotten |
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Obstbaumminiermotte (Lyonetia clerkella): Schädling an Rosengewächsen |
Miniermotten |
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Minierend in Blättern | Kastanienminiermotte (Cameraria ohridella) |
Gespinstmotten | 4 Bauchbeinpaare mit Kranzfüßen |
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Traubenkirschengespinstmotte (Yponomeuta evonymella) |
Wickler | 5 Paar Bauchfüße (inkl. Nachschieber) |
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Große Gruppe mit vielen bedeutenden Schädlingen in der Land- und Forstwirtschaft, z.B. Apfelwickler (Cydia pomonella) |
Zünsler | Gut entwickelte Brustbeine und Bauchfüße |
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Buchsbaumzünsler (Cydalima perspectalis) |
Weißlinge
(Pieridae) |
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Oft an Schmetterlingsblütlern oder Kreuzblütlern | Großer Kohlweißling (Pieris brassicae) |
Glucken |
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Ringelspinner (Malacosoma neustria) |
Spanner |
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Kleiner Frostspanner (Operophtera brumata) |
Schwärmer |
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Verpuppung in der Erde | Ligusterschwärmer (Sphynx ligustri) |
Zahnspinner |
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Prozessionsspinner: gesellig in Gespinstnestern |
Mondfleck, Mondvogel (Phalera bucephala) Eichenprozessionsspinner (Thaumetopoea processionea) |
Trägspinner |
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Manche Arten mit giftigen Brennhaaren, die Allergien auslösen können |
Schlehenspinner (Orgya antiqua) Gemeiner Goldafter (Euproctis chrysorrhoea) Schwammspinner (Lymantria dispar) |
Eulen |
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Saateule, Wintersaateule (Agrotis segetum) Kohleule (Mamestra brassica) Gammaeule (Autographa gamma) |
Bekämpfung
In vielen Fällen ist der Einsatz von Insektiziden zur Bekämpfung von Raupen nicht nötig, da sich befallene Pflanzen nach dem Abwandern der Raupen wieder erholen. Insbesondere dort, wo „nur“ der Zierwert der Pflanzen beeinträchtigt wird und kein wirtschaftlicher Schaden entsteht oder die Gesundheit gefährdet wird (siehe Eichenprozessionsspinner), kann auf Pflanzenschutzmittel verzichtet werden. Wie schnell ein Strauch sogar totalen Kahlfraß kompensieren kann, wird beispielsweise bei einem Befall durch Gespinstmotten deutlich. Schon einen Monat nach Kahlfraß kann ein Gehölz schon wieder in vollem Laub stehen [1]. Alternative Verfahren wie das Vernichten gefundener Eigelege im Winter, das Entfernen von Raupennestern sowie das Absammeln einzelner Raupen genügen oftmals, um größeren Schäden, beispielsweise an Baumschulpflanzen, vorzubeugen.
Chemische Bekämpfung
Es gibt unter den Schmetterlingsraupen aber auch einige für die Land- und Forstwirtschaft bedeutende Schädlinge, die für erhebliche Qualitätsverluste oder Ernteausfälle sorgen und daher oft auch chemisch bekämpft werden müssen. Die für die jeweilige Indikation (Schädling, befallene Kulturpflanze, Anwendungsauflagen) zugelassenen Pflanzenschutzmittel sind den aktuellen Informationen der Pflanzenschutzdienste, der Internetseite des Bundesamtes für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit (www.bvl.bund.de) oder im Pflanzenschutzinformationssystem PS Info (www.pflanzenschutz-information.de) zu entnehmen. Der gezielte Einsatz von Pflanzenschutzmitteln erfordert genaue Kenntnisse über den jeweiligen Schädling und dessen Lebensweise, um ein geeignetes Mittel und den besten Bekämpfungszeitpunkt wählen zu können.
Oftmals erschwert die versteckte Lebensweise mancher Raupen eine chemische Bekämpfung. Dazu zählen beispielsweise Raupen, die geschützt in Gespinsten fressen oder minierend leben.
Je nachdem, welche Lebensweise die betreffenden Schmetterlingsraupen aufweisen, sind Pflanzenschutzmittel in folgenden drei Anwendungsbereichen zugelassen:
- Minierende Kleinschmetterlingsraupen (z.B. Kastanienminiermotte) Aktuelle Zulassungssituation für den Gartenbau aus PS Info
- Verstecktfressende Schmetterlingsraupen (Vorratsschutz) Aktuelle Zulassungssituation für den Vorratsschutz aus PS Info
- Freifressende Schmetterlingsraupen; verschiedene Wirkstoffe und Präparate, z.B. Methoxyfenozide (Runner), Diflubenzuron (Dimilin 80 WG), Tebufenozid (Mimic), Indoxacarb (STEWARD), lambda-Cyhalothrin (TRAFO WG), Bacillus thuringiensis subspecies kurstaki Stamm ABTS-351 (Stamm HD-1) (Dipel ES),Bacillus thuringiensis subspecies aizawai Stamm ABTS-1857 (XenTari)) Aktuelle Zulassungssituation für den Gartenbau aus PS Info
Weitere Informationen hierzu siehe Artikel „Beißende Insekten“.
Biotechnische Verfahren
Gerade für die Bekämpfung von Schmetterlingsraupen stehen hoch wirksame und gut umweltverträgliche biotechnische Verfahren zur Verfügung. Hier ist insbesondere der Einsatz von Bacillus-thuringiensis-Präparaten (B.t.-Präparate) zu nennen. Die Abtötung der Raupen erfolgt durch die Aufnahme von Bakterientoxinen nach Fraß der behandelten Futterpflanze. Dabei ist zu beachten, dass es zwei verschiedene pathogene B.t.-Stämme gibt, die gegen unterschiedliche Raupen wirksam sind. B.t. sv. kurstaki (B.T.k.) wirkt gegen bestimmte Schmetterlingsraupen, jedoch nicht gegen Eulen-Raupen aus der Familie der Noctuidae (Präparat: Dipel ES). Hingegen wirkt B.t. sv. aizawai (B.t.a.) auch gegen Eulen-Raupen (Präparat: XenTari).[2]
Neben der Wahl des geeigneten Mittels ist beim Einsatz von B.t.-Präparaten auch der Bekämpfungszeitpunkt entscheidend. B.t.-Präparate müssen kurz nach Befallsbeginn eingesetzt werden, um wirksam zu sein. In einer Veröffentlichung des JKI heißt es dazu:
„B.t.-Präparate wirken innerhalb einer Schädlingsart je nach Körpergewicht dosisabhängig. Daher sind sie besonders gegen junge Larven wirksam, während ältere Larven mit zunehmendem Gewicht widerstandsfähiger werden.“ [3]
Momentan sind weit über 75 verschiedene Schmetterlingsraupen bekannt, die mit B.t.-Präparaten wirksam bekämpft werden können.[4]
Einzelnachweise
- ↑ Bellmann, H.: Der neue Kosmos Schmetterlingsführer. Franck-Kosmos Verlags-GmbH, Stuttgart 2003, ISBN 3-440-09330-1
- ↑ Kaiser-Alexnat, R.: Bacillus thuringiensis. Veröffentlichungen des Julius Kühn-Instituts, August 2008
- ↑ Kaiser-Alexnat, R.: Bacillus thuringiensis. Veröffentlichungen des Julius Kühn-Instituts, August 2008
- ↑ Kaiser-Alexnat, R.: Bacillus thuringiensis. Veröffentlichungen des Julius Kühn-Instituts, August 2008
Quellen
- Alford, D. V. (1997): Farbatlas der Schädlinge an Zierpflanzen. Ferdinand Enke Verlag. Stuttgart. ISBN 3-432-27841-1
- Bellmann, H. (2003): Der neue Kosmos Schmetterlingsführer. Franck-Kosmos Verlags-GmbH. Stuttgart. ISBN 3-440-09330-1
- Kaiser-Alexnat, R.: Bacillus thuringiensis. Veröffentlichungen des Julius Kühn-Instituts, August 2008, herunter geladen am 6.5.2013
- Schäfer et al. (19. Auflage 1994): Brohmer, Fauna von Deutschland. Quelle & Meyer Verlag. Heidelberg - Wiesbaden. ISBN 3-494-01225-3