Raupen

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Unter dem Begriff „Raupen“ versteht man ganz allgemein die larvalen Entwicklungsstadien von Schmetterlingen (Tag- und Nachtfalter). Während sich die meisten adulten Falter als Blütenbesucher von Nektar ernähren, fressen ihre Raupen (mit einigen Ausnahmen) lebendes pflanzliches Material und treten an vielen Bäumen, Zier- und Kulturpflanzen als Schädlinge auf.

Merkmale und Körperbau

Körpergliederung einer Raupe
1. Caput (Kopf)
2. Thorax (Brust)
3. Abdomen (Hinterleib)

4. Einzelsegment
5. Horn (nur bei Schwärmerraupen: Sphingidae)
6. Bauchfüße
7. Trachee (Atemöffnung)
8. Echte Beine
9. Mandibel (Mundwerkzeug)

Raupen besitzen einen langgestreckten, walzenförmigen Körper, der wie bei den meisten holometabolen Insektenlarven in gleichmäßige Segmente gegliedert ist. Auf den Kopf folgen die drei Brustsegmente, die jeweils ein echtes, gegliedertes Beinpaar besitzen. Das Abdomen besteht aus 11 Segmenten, von denen die letzten drei meist zu einem einheitlichen Analsegment verwachsen sind. Das erste Brustsegment und die Abdominalsegmente weisen ein Paar Atemöffnungen (Stigmen) auf. Von den Abdominalsegmenten tragen in der Regel das 3. bis 6. Segment ein Paar Bauchfüße, bei denen es sich nicht um echte Extremitäten, sondern um Hautaustülpungen handelt, die zum Festklammern entweder einen Hakenkranz besitzen oder als Klammerfüße ausgebildet sind. Am Körperende befindet sich nochmals ein kräftig ausgebildetes Bauchbeinpaar, das als Nachschieber bezeichnet wird.

Die Raupe stellt während der Entwicklung vom Ei zum fertigen Falter dass „Fress-Stadium“ dar, bei dem das Körpervolumen um ein Vielfaches erhöht wird.


Abgrenzung zu anderen Insektenlarven

Blattwespenlarven (Craesus septentrionalis, Breitfüßige Birkenblattwespe)

Nicht alles, was wie eine Raupe aussieht, ist auch eine. Es gibt viele andere Insektenordnungen, deren Larven einen ähnlichen Habitus (Erscheinungsbild) und eine ähnliche Lebensweise besitzen. Folgende Tabelle gibt einen kurzen Überblick über die wichtigsten anderen Insektenordnungen mit holometaboler Entwicklung, deren Larven als Pflanzenschädlinge auftreten und mit Schmetterlingsraupen verwechselt werden könnten. Die größte Ähnlichkeit mit Schmetterlingsraupen haben die Larven der Blattwespen. Als grobes Unterscheidungsmerkmal dienen die Bauchfüße, die bei den Blattwespen schon ab dem zweiten Abdominalsegment (d.h. nur ein Bauchfüße-freies Abdominalsegment) vorhanden sind. Typisch für viele Blattwespen ist die s-förmige Schreckhaltung als Reaktion auf Störungen (siehe Abbildung rechts).


Abgrenzung zu den Larven anderer Insektenordnungen
Insektenordnung Unterscheidungsmerkmale (Larven) Beispiele
Schmetterlinge (Lepidoptera)
Kohlmotte-4-Raupe-DLR-JS.jpg
  • 3 echte (gegliederte) Beinpaare an den Brustsegmenten
  • 1-4 Paar Bauchfüße (Stummelfüße) am Hinterleib (beginnend am oder nach dem 3. Abdominalsegment) und einem weiteren kräftig entwickelten Beinpaar („Nachschieber“) am vorletzten Segment
  • Bei Minierern sind Beine reduziert oder fehlen
Zweiflügler (Diptera)
Fliegenlarve.jpg
  • Ohne Beinpaare und Stummelfüßchen
  • (Meist) keine Kopfkapsel
Glasflügler (Hymenoptera)
Blattwespenlarve09Rosa.jpg
  • Meist 3 echte Beinpaare an den Brustsegmenten
  • bei den meisten Familien mindestens 5 Paar Scheinfüßchen am Hinterleib (beginnend am 2. Abdominalsegment)
  • Gespinstblattwespen ohne Bauchfüße
Unterordnung Pflanzenwespen (Symphyta), insbesondere die Echte Blattwespen (Tenthredinidae)
Käfer (Coleoptera)
Nashornkäfer-01-Larven.jpg
  • 3 gegliederte echte Beinpaare an den Brustsegmenten
  • keine Stummelfüßchen
  • Kopfkapsel groß und deutlich


Raupen aus unterschiedlichen Familien

Der Begriff Raupen steht, wie bereits erwähnt, für die Larven von Schmetterlingen. Die Ordnung der Schmetterlinge (Lepidoptera) stellt eine große und sehr vielgestaltige Insektengruppe dar, dementsprechend unterscheiden sich sowohl die Falter als auch die Raupen der unterschiedlichen Familien teilweise sehr in Aussehen und Lebensweise. Allen gleich ist jedoch die vollständige Entwicklung (Holometabolie) vom Ei über die Raupe und das Puppenstadium hin zum fertigen Falter.

Nachfolgend werden die Merkmale einiger ausgewählter und für den Pflanzenschutz wichtiger Raupen aus unterschiedlichen Familien dargestellt.

Familie Merkmale der Raupen Lebensweise der Raupen/Besonderheiten Beispiele
Trugmotten

(Eriocranidae)

  • beinlos
  • kleiner Kopf
Blattminierer Eriocrania subpurpurella: Schädlich an Bäumen in Parkanlagen und Gärten
Wurzelbohrer

(Hepialidae)

  • Zylindrisch, langgestreckt,
  • fast nackt, mit Borsten tragenden Punktwarzen
  • Brustbeine gut entwickelt
Im Boden an den Wurzeln verschiedener Pflanzen Großer Hopfenwurzelbohrer (Hepialus humuli): Schädling in Wiesen und Rasen
Zwergmotten

(Nepticulidae)

  • Keilförmiger Kopf
  • Brustbeine und Bauchfüße reduziert
  • Minierer in Blättern, Stängeln, Rinde
  • Verpuppung meist außerhalb der Mine
Rosenblattminiermotte (Stigmella anomalella)
Stigmella anomalella.jpg
Schopfstirnmotten

(Tischeridae)

  • Kopf und Körper stark abgeflacht
  • Brustbeine rudimentär
  • ohne Bauchfüße
  • Blattminierer
  • Verpuppung in der Mine
Eichenminiermotte (Tischeria ekebladella)
Tischeria fg02.jpg
Holzbohrer

(Cossidae)

  • Kräftige Mandibeln
  • Großer, sklerotisierter Nackenschild

Holzbohrend in Stämmen und Ästen von Bäumen und Sträuchern Verpuppung im Frassgang oder in einem Gespinst im Boden

Rosskastanienbohrer, Blausieb (Zeuzera pyrina)
Blausieb002DLR-RLP-RW.JPG
Langhorn-Blattminiermotten

(Lyonetiidae)

  • 3 Paar Brustbeine
  • 5 Paar Bauchfüße
  • Minierend in Blättern und Stängeln
  • Verpuppung außerhalb der Mine in einem Kokon
Obstbaumminiermotte (Lyonetia clerkella): Schädling an Rosengewächsen
Obstbaumminiermotte.jpeg
Miniermotten

(Gracillariidae)

  • Jungraupen beinlos
  • Sehr flacher Kopf und Körper
  • 4. Bauchfußpaar zurückgebildet
Minierend in Blättern Kastanienminiermotte (Cameraria ohridella)
Cameraria ohridella larva.JPG
Gespinstmotten

(Yponomeutidae)

4 Bauchbeinpaare mit Kranzfüßen
  • Zunächst in Blattminen, später gesellig in großen, oft schleierartigen Gespinsten
  • Oft Kahlfrass an Bäumen und Sträuchern

Traubenkirschengespinstmotte (Yponomeuta evonymella)

Pflaumengespinstmotte (Yponomeuta padella)
Gespinstmotte.jpg
Wickler

(Tortricidae)

5 Paar Bauchfüße (inkl. Nachschieber)
  • Oft in zusammengesponnenen oder eingerollten Blättern
  • Schnelle Rückwärtsbewegung bei Störung
Große Gruppe mit vielen bedeutenden Schädlingen in der Land- und Forstwirtschaft, z.B. Apfelwickler (Cydia pomonella)
Apfelwickler0020.JPG
Zünsler

(Pyralidae)

Gut entwickelte Brustbeine und Bauchfüße
  • Sehr uneinheitliche Gruppe, viele unterschiedliche Lebensweisen
  • Raupen bei Störung sehr agil
Buchsbaumzünsler (Cydalima perspectalis)
Raupe des Buchsbaumzünsler, Cydalima perspectalis 11.JPG
Weißlinge

(Pieridae)

  • Gut entwickelte Brustbeine und Bauchfüße
  • Haken an den Bauchfüßen biordinal (2 verschiedene Größen)
Oft an Schmetterlingsblütlern oder Kreuzblütlern Großer Kohlweißling (Pieris brassicae)
Kohlweißling-Großer-Raupe DLR ZJ.JPG
Glucken

(Lasiocampidae)

  • Kopf und Körper stark behaart
  • Haken an den 5 Paar Bauchfüßen biordinal (2 verschiedene Größen)
  • Raupen leben gesellig in Gespinstnestern
  • Verpuppung in einem oft mit Raupenhaaren durchsetzten Seidenkokon
Ringelspinner (Malacosoma neustria)
Malacosoma neustria - 01 (HS).jpg
Spanner

(Geometridae)

  • Nur 2 Paar Bauchfüße am Körperende
  • Typische „spannerartige“ Fortbewegungsweise
  • Zweitgrößte Schmetterlingsfamilie
  • In Ruhestellung gestreckte Körperhaltung: ahmt zur Tarnung ein Zweigstückchen nach (Mimese)
Kleiner Frostspanner (Operophtera brumata)
Operophtera brumata larva.jpg
Schwärmer

(Sphingidae)

  • Dick und unbehaart
  • Typisches „Horn“ auf dem 8. Abdominalsegment
Verpuppung in der Erde Ligusterschwärmer (Sphynx ligustri)
Sphinx ligustri 02 (HS).jpg
Zahnspinner

(Notodontidae)

  • Meist unbehaart
  • vielgestaltig
  • Haken an den Bauchfüßen biordinal (2 verschiedene Größen)
Prozessionsspinner: gesellig in Gespinstnestern Mondfleck, Mondvogel (Phalera bucephala)
Phalera bucephala 20050909 444 part.jpg
Eichenprozessionsspinner (Thaumetopoea processionea)
Eichenprozessionsspinner05DLR-NW-RW.JPG
Trägspinner

(Lymantriidae)

  • Mehr oder weniger stark behaart
  • Stets 3+5 Beinpaare
  • Oft bürstenartige Haarbüschel auf den ersten vier Abdominalsegmenten und/oder
  • bunte behaarte Warzen am Rücken
  • manche Arten mit 1 Paar ausstülpbare Dorsaldrüsen
Manche Arten mit giftigen Brennhaaren, die Allergien auslösen können Schlehenspinner (Orgya antiqua)
Orgyia antiqua 20080814 87270.jpg

Gemeiner Goldafter (Euproctis chrysorrhoea)
Euproctis chrysorrhoea-02 (xndr).jpg

Schwammspinner (Lymantria dispar)
Raupe des Schwammspinner (Lymantria dispar).JPG
Eulen

(Noctuidae)

  • Meist 5 Paar Bauchfüße
  • Häkchen der Bauchfüße gleich groß (uniordinal)
  • In der Regel unbehaart und glatt
  • Artenreichste Schmetterlingsfamilie
  • Vorwiegend an den Blättern von krautigen Pflanzen und Laubgehölzen
Saateule, Wintersaateule (Agrotis segetum)
Agrotis segetum larva.jpg

Kohleule (Mamestra brassica)
Kohleulenraupe2SLFA-NW-RW.JPG

Gammaeule (Autographa gamma)
Gamma-uil op wortel zijkant (Autographa gamma on Daucus carota).jpg

Bekämpfung

In vielen Fällen ist der Einsatz von Insektiziden zur Bekämpfung von Raupen nicht nötig, da sich befallene Pflanzen nach dem Abwandern der Raupen wieder erholen. Insbesondere dort, wo „nur“ der Zierwert der Pflanzen beeinträchtigt wird und kein wirtschaftlicher Schaden entsteht oder die Gesundheit gefährdet wird (siehe Eichenprozessionsspinner), kann auf Pflanzenschutzmittel verzichtet werden. Wie schnell ein Strauch sogar totalen Kahlfraß kompensieren kann, wird beispielsweise bei einem Befall durch Gespinstmotten deutlich. Schon einen Monat nach Kahlfraß kann ein Gehölz schon wieder in vollem Laub stehen [1]. Alternative Verfahren wie das Vernichten gefundener Eigelege im Winter, das Entfernen von Raupennestern sowie das Absammeln einzelner Raupen genügen oftmals, um größeren Schäden, beispielsweise an Baumschulpflanzen, vorzubeugen.

Chemische Bekämpfung

Es gibt unter den Schmetterlingsraupen aber auch einige für die Land- und Forstwirtschaft bedeutende Schädlinge, die für erhebliche Qualitätsverluste oder Ernteausfälle sorgen und daher oft auch chemisch bekämpft werden müssen. Die für die jeweilige Indikation (Schädling, befallene Kulturpflanze, Anwendungsauflagen) zugelassenen Pflanzenschutzmittel sind den aktuellen Informationen der Pflanzenschutzdienste, der Internetseite des Bundesamtes für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit (www.bvl.bund.de) oder im Pflanzenschutzinformationssystem PS Info (www.pflanzenschutz-information.de) zu entnehmen. Der gezielte Einsatz von Pflanzenschutzmitteln erfordert genaue Kenntnisse über den jeweiligen Schädling und dessen Lebensweise, um ein geeignetes Mittel und den besten Bekämpfungszeitpunkt wählen zu können.

Oftmals erschwert die versteckte Lebensweise mancher Raupen eine chemische Bekämpfung. Dazu zählen beispielsweise Raupen, die geschützt in Gespinsten fressen oder minierend leben. Je nachdem, welche Lebensweise die betreffenden Schmetterlingsraupen aufweisen, sind Pflanzenschutzmittel in folgenden drei Anwendungsbereichen zugelassen:

Weitere Informationen hierzu siehe Artikel „Beißende Insekten“.


Biotechnische Verfahren

Gerade für die Bekämpfung von Schmetterlingsraupen stehen hoch wirksame und gut umweltverträgliche biotechnische Verfahren zur Verfügung. Hier ist insbesondere der Einsatz von Bacillus-thuringiensis-Präparaten (B.t.-Präparate) zu nennen. Die Abtötung der Raupen erfolgt durch die Aufnahme von Bakterientoxinen nach Fraß der behandelten Futterpflanze. Dabei ist zu beachten, dass es zwei verschiedene pathogene B.t.-Stämme gibt, die gegen unterschiedliche Raupen wirksam sind. B.t. sv. kurstaki (B.T.k.) wirkt gegen bestimmte Schmetterlingsraupen, jedoch nicht gegen Eulen-Raupen aus der Familie der Noctuidae (Präparat: Dipel ES). Hingegen wirkt B.t. sv. aizawai (B.t.a.) auch gegen Eulen-Raupen (Präparat: XenTari).[2]

Neben der Wahl des geeigneten Mittels ist beim Einsatz von B.t.-Präparaten auch der Bekämpfungszeitpunkt entscheidend. B.t.-Präparate müssen kurz nach Befallsbeginn eingesetzt werden, um wirksam zu sein. In einer Veröffentlichung des JKI heißt es dazu:

B.t.-Präparate wirken innerhalb einer Schädlingsart je nach Körpergewicht dosisabhängig. Daher sind sie besonders gegen junge Larven wirksam, während ältere Larven mit zunehmendem Gewicht widerstandsfähiger werden.“ [3]

Momentan sind weit über 75 verschiedene Schmetterlingsraupen bekannt, die mit B.t.-Präparaten wirksam bekämpft werden können.[4]

Einzelnachweise

  1. Bellmann, H.: Der neue Kosmos Schmetterlingsführer. Franck-Kosmos Verlags-GmbH, Stuttgart 2003, ISBN 3-440-09330-1
  2. Kaiser-Alexnat, R.: Bacillus thuringiensis. Veröffentlichungen des Julius Kühn-Instituts, August 2008
  3. Kaiser-Alexnat, R.: Bacillus thuringiensis. Veröffentlichungen des Julius Kühn-Instituts, August 2008
  4. Kaiser-Alexnat, R.: Bacillus thuringiensis. Veröffentlichungen des Julius Kühn-Instituts, August 2008

Quellen

  • Alford, D. V. (1997): Farbatlas der Schädlinge an Zierpflanzen. Ferdinand Enke Verlag. Stuttgart. ISBN 3-432-27841-1
  • Bellmann, H. (2003): Der neue Kosmos Schmetterlingsführer. Franck-Kosmos Verlags-GmbH. Stuttgart. ISBN 3-440-09330-1

Weblinks