Insektizid

Aus Hortipendium
Wechseln zu: Navigation, Suche

Ein Insektizid ist ein Pestizid, das zur Abtötung, Vertreibung oder Hemmung von Insekten und deren Entwicklungsstadien verwendet wird. Insektizide werden in der Land- und Forstwirtschaft, zum Vorrats- und Materialschutz sowie im Hygienebereich angewendet. Einige Insektizide wie Lindan (seit 2007 in der EU verboten) werden zusätzlich zur lokalen Behandlung von Parasitosen verwendet. Bei dem Einsatz von Insektiziden ist man bemüht, nur die schädlichen Insekten zu treffen. Nützlinge sollen geschont werden. Die Wirkstoffe gegen Insekten werden meist auf die Blätter von Nutzpflanzen gesprüht und beim Fraß erreichen die Giftstoffe das Insekt. In den letzten Jahren wurden auch Insektenpheromone genutzt, die Insekten anlocken und dann mit einem geeigneten Giftstoff in Berührung bringen.[1] Bei allen Wirkstoffen gegen Insekten besteht bei längerer Verabreichung die Gefahr der Resistenzbildung. Daher benötigt man im Pflanzenschutz sehr verschiedene Wirkstoffe und bemüht sich, mögliche Schäden für Menschen, Tiere und Umwelt gering zu halten. Schädliche Insekten sind beispielsweise Saugende Insekten (Schildläuse, Zikaden) und Beißende Insekten (Larven von Kartoffel-, Borken-, Rüsselkäfern) [1].

Einteilung nach der Wirkungsweise

Erfassung unterschiedlicher Insektengruppen durch Kontaktmittel und systemische Mittel

Insektizide werden nach ihrer Wirkungsweise unterteilt in:

  • Kontaktmittel: Der Zielorganismus muss zur Abtötung direkten Kontakt mit dem Wirkstoff haben. Das kann während der Applikation über die Spritzbrühe geschehen, bei vielen Präparaten reicht es auch, wenn Insekten später mit dem Belag in Berührung kommen.
Bei der Ausbringung ist auf eine gründliche Verteilung zu achten.
Insekten, die über einen äußeren Schutz verfügen (Woll-, Schildläuse) oder im Pflanzengewebe leben (Miniermotten) sind mit Kontaktmitteln nicht ausreichend bekämpfbar.
  • Fraßwirkung: Der Wirkstoff muss vom Insekt durch saugen oder fressen aufgenommen werden.
  • Atemwirkung: Der Wirkstoff dringt durch seinen hohen Dampfdruck in das Insekt ein.
  • Entwicklungshemmer und Antagonisten: Eine besondere Gruppe die über Kontakt oder Fraß von den Larven der Insekten aufgenommen werden müssen. Entwicklungshemmer verhindern die Häutung oder lösen eine verfrühte Häutung aus (Bsp. Dimilin 80 WG). Antagonisten setzen im Organismus der Larven Gifte frei und töten sie ab (Bsp. Dipel ES mit Bacillus thuringiensis kurstaki). Weil sie bei ausgewachsenen Insekten nicht wirken und nur bestimmte Larven angreifen, sind sie für Bienen und Nützlinge ungefährlich.
  • Systemische Insektizide: Sie dringen in das Pflanzengewebe ein und verteilen sich dort in mehr oder minder starkem Maße über die Leitungsbündel oder von Zelle zu Zelle. Dadurch wird der Wirkstoff auch an Stellen transportiert, die nicht von der Spritzbrühe getroffen wurden. Das gilt auch für den Blatt- und Triebzuwachs. Sie müssen über Saugen oder Fraß aufgenommen werden. Wegen der systemischen Verteilung sind die Anforderungen bei der Ausbringung geringer.
Da der Transport in den Leitbündeln erfolgt, werden besonders Insekten erfasst, die ihre Nahrung dort aufnehmen (Läuse). Oben genannte Insekten die Minieren oder mit natürlicher Schutzhülle versehen sind, können mit systemischen Mitteln bekämpft werden.

Viele gängige Insektizide vereinen mehrere Wirkungsweisen (Bsp. Fraß- und Kontaktmittel).

Neben den Wirkungsweisen lassen sich Insektizide auch nach Wirkstoffgruppen unterteilen. Jede Wirkstoffgruppe hat einen bestimmten Angriffspunkt im Organismus des Insektes. Präparate einer Wirkstoffgruppe greifen an der gleichen Stelle an und sind sich deshalb sehr ähnlich. Durch gezielten Wechsel von Präparaten verschiedener Wirkstoffgruppen soll verhindert werden, dass Insekten Resistenzen entwickeln.

Wichtige Wirkstoffgruppen

Phosphorsäureester (Organische Phosphorverbindungen)

Die Mittel dieser Wirkstoffgruppe besitzen ein sehr breites Wirkungsspektrum und können sowohl gegen beißende und saugende Insekten als auch gegen Milben wirken, außerdem sind sie auch gefährlich für Bienen und Nützlinge. Sie werden systemisch in der Pflanze verteilt und wirken über Fraß und Kontakt. Einziger zugelassener Wirkstoff ist Fosthiazate (Zulassungsstand beachten), der gegen Nematoden eingesetzt wird.


Carbamate

Eine ältere Wirkstoffgruppe die gegen beißende und saugende Insekten eingesetzt werden kann. Die Mittel dieser Gruppe wirken sehr breit und besitzen eine hohe Giftigkeit, auch für Nutzinsekten. Alle wirken als Fraß- und Kontaktmittel, teilweise sind sie systemisch. Von Bedeutung ist z.B. das Blattlausinsektizid Pirimor Granulat (Pirimicarb).


Natürliche und synthetische Pyrethroide

Die Mittel aus dieser Wirkstoffgruppe haben eine Kontakt- und Fraßwirkung, sind aber nicht systemisch. Sie werden bevorzugt gegen beißende Insekten eingesetzt, es gibt in der Gruppe auch Wirkstoffe gegen saugende Insekten. Nützlinge werden beeinträchtigt, für Bienen sind nur manche Präparate schädlich. Natürliche Pyrethroide werden schnell abgebaut, dadurch ist die Wartezeit sehr kurz (Bsp. Spruzit Neu). Synthetischen Pyrethroide sind etwas stabiler und in ihrer Wirkung stärker, bauen aber auch relativ schnell ab (Bsp. Karate Zeon).


Neonicotinoide

Systemische Insektizide die über Fraß und Kontakt wirken. Ihr Wirkungsspektrum umfasst saugende Insekten, Käfer und Kleinschmetterlingslarven. Die Raupen größerer Schmetterlinge und Spinnmilben werden nicht erfasst. Durch schlecht gebeiztes Mais-Saatgut kam es 2008 im Oberrheingraben zu einem massiven Bienensterben. Daraufhin wurde die Beizung mit den drei neonicotinoiden Wirkstoffen Thiamethoxam, Clothianidin und Imidacloprid verboten. Clothianidin und Thiamethoxam sind mittlerweile nicht mehr zugelassen, Imidacloprid ist nur noch sehr eingeschränkt nutzbar. Auch die andere neonicotinoide Wirkstoffe sind wegen des Verdachts negativer Auswirkungen auf Bienen in der Diskussion (Bsp. Calypso).


Mineral- oder pflanzliche Öle

Mittel mit diesen Wirkstoffen werden zu den biologischen Insektiziden gezählt. Sie wirken nur über den Kontakt während der Ausbringung, indem sie die Atemöffnungen der Insekten verkleben. Sie können auch gegen Eier und Insekten mit Schutzhüllen verwendet werden (Bsp. Promonal Neu mit Mineralöl, Micula mit Rapsöl).

Bienengefährlichkeit

Bei der chemischen Bekämpfung von Schädlingen in blühenden Pflanzen ist, besonders im Freiland, auf die Bienengefährlichkeit der Pflanzenschutzmittel zu achten. Zweck der Verordnung über die Anwendung bienengefährlicher Pflanzenschutzmittel (Bienenschutzverordnung) ist es, Bienen vor einer Gefährdung durch Pflanzenschutzmittel zu schützen. Bereits im Zulassungsverfahren werden Pflanzenschutzmittel auf ihre Bienengefährlichkeit geprüft und einer von insgesamt vier Gefährdungsklassen zugeordnet bzw. mit entsprechenden Kennzeichnungen versehen:

  • B1: bienengefährlich (NB6611). Diese Mittel darf nicht auf blühende oder von Bienen beflogene Pflanzen ausgebracht werden; dies gilt auch für Unkräuter.
  • B2: bienengefährlich außer bei Anwendung nach Ende des täglichen Bienenflugs bis 23:00 Uhr (NB6621)
  • B3: Bienen werden nicht gefährdet aufgrund der durch die Zulassung festgelegten An-wendungen des Mittels (NB663)
  • B4: nicht bienengefährlich (NB664, NB6641)

In Klammern angegeben ist die entsprechende Kennzeichnung im Pflanzenschutzmittelverzeichnis des BVL. Dort kann der genaue Wortlaut der jeweiligen Auflagen nachgelesen werden.

Tankmischungen

Tankmischungen bienenungefährlicher Pyrethroide mit bestimmten Fungiziden können bienengefährlicher sein als die Anwendungen der einzelnen Mittel. Deshalb schreibt das BVL für diese Mittel in der Regel eine der beiden folgenden Sicherheitsmaßnahmen vor:

  • Das Mittel darf an blühenden Pflanzen und an Pflanzen, die von Bienen beflogen werden, nicht in Mischung mit Fungiziden aus der Gruppe der Ergosterol-Biosynthese-Hemmer angewendet werden. Mischungen des Mittels mit Ergosterol-Biosynthese-Hemmern müssen so angewendet werden, dass blühende Pflanzen nicht mitgetroffen werden (NB6612).
  • Das Mittel darf an blühenden Pflanzen und an Pflanzen, die von Bienen beflogen werden, nicht in Mischung mit Fungiziden aus der Gruppe der Ergosterol-Biosynthese-Hemmer angewendet werden, es sei denn, die Anwendung dieser Mischung an blühenden Pflanzen und an Pflanzen, die von Bienen beflogen werden, ist ausweislich der Gebrauchsanleitung des Fungizids erlaubt (NB6613).
  • Das Mittel darf in Mischung mit Fungiziden aus der Gruppe der Ergosterol-Biosynthese-Hemmer an blühenden Pflanzen und an Pflanzen, die von Bienen beflogen werden, nur abends nach dem täglichen Bienenflug bis 23.00 Uhr angewendet werden (NB6623).

Einfluß der Temperatur auf die Wirkung

Nach Umfragen wurden die folgenden Tabellen zum Temperatureinfluß entwickelt (nach Burghause, LPP Mainz)

Der chemische Pflanzenschutz ist im Sommer durch die vorherrschenden hohen Temperaturen erschwert[2]. Folgende Auswirkungen sind zu beachten:

  • schnelleres Verdampfen einiger Wirkstoffe
  • Abnahme der Dauerwirkung
  • Beschleunigung des chemischen Zerfalls
  • Verdunstung während der Ausbringung bei geringer Luftfeuchte
  • bei Temperaturen über 25° C, können Pyrethroide von Insekten abgebaut werden

Weitere Informationen auf der Seite Wirkungsmechanismen von Insektiziden.

Einzelnachweise

  1. a b Marion Beckmann, Karl Josef Haack: Insektizide in der Landwirtschaft, Chemie in unserer Zeit, 2003, 37. Jahrgang, S. 88 - 99
  2. Dr. Frank Burghause, LPP Mainz, mündliche Mitteilung


Quellen

M. Beckmann, K.-J. Haack: Insektizide für die Landwirtschaft: Chemische Schädlingsbekämpfung, in: Chemie in unserer Zeit 2003, 37, 88–97.