Wurzelkropf

Aus Hortipendium
Wechseln zu: Navigation, Suche
Wurzelkropf
Agrobacterium tumefaciens
(Smith & Townsend 1907) Conn 1942
Agrobacterium-tumefaciens.png
Mehrere Bakterienzellen von Agrobacterium tumefaciens an einer Pflanzenzelle
Systematik
Abteilung Proteobacteria
Klasse Alphaproteobacteria
Ordnung Rhizobiales
Familie Rhizobiaceae
Gattung Agrobacterium


Wurzelkropf ist eine bakterielle Erkrankung an Pflanzen, die durch krebsartige Wucherungen gekennzeichnet ist. Sie wird durch das natürlich im Boden vorkommende Agrobacterium tumefaciens hervorgerufen. Das Bakterium dringt über Wunden ein und befällt vorwiegend dikotyle Pflanzen. Monokotyle Pflanzen (Gräser) sind weitgehend gegen A. tumefaciens immun.

Aufgrund seiner Fähigkeit, eigene Erbinformation in die Wirtspflanzenzellen einzuschleusen, dient A. tumefaciens auch als Modellorganismus in der Gentechnologie.

Krankheitsbild

Es bilden sich bevorzugt am Wurzelhals, aber auch an Wurzeln und oberirdischen Pflanzenteilen zunächst kleine, weiche, schwammartige, tumorähnliche Wucherungen von erst weißlicher und später dann brauner Färbung und rauer Oberfläche. Nach Absterben des Gewebes im Herbst erhärten die Tumore. Da die Wucherungen teilweise die Leitbündel zerstören, werden die Pflanzen geschwächt und unterversorgt, stark befallene Pflanzen sterben ab. Junge Pflanzen sind anfälliger und stärker gefährdet als alte, deshalb wird Wurzelkropf oft in Baumschulen zum Problem. Die weichen Wucherungen können leicht per Hand abgebrochen werden und weisen im Inneren keinerlei Hohlräume auf, die auf einen Befall mit tierischen Schaderregern hindeuten würden. [1]

Verwechslungsmöglichkeit: Im frühen Stadium können die Wucherungen mit Wundkallus verwechselt werden, den die Pflanze bei Verletzungen bildet. Wundkalli wachsen jedoch langsamer, verholzen im weiteren Verlauf und bleiben mit der Pflanze fest verbunden. [2]

Erreger

Zur Gattung Agrobacterium (Familie Rhizobiaceae) zählen verschiedene Arten, darunter auch Agrobacterium vitis, der Erreger der sog. "Mauke" an Weinreben. In der Wissenschaft herrscht noch Uneinigkeit, wie viele Arten dieser Gattung bzw. der nahe verwandten Gattung Rhizobium (Knöllchenbakterien) zugeordnet werden können. Agrobacterium-Arten sind gramnegative, sporenlose, aerobe und bewegliche stäbchenförmige Bakterien, die sich in einem Temperaturbereich von 20 bis 28°C entwickeln können. Sie kommen weltweit im Erdboden vor, hauptsächlich in der Rhizosphäre (= Wurzelbereich) von Pflanzen.


Biologie

Agrobacterium tumefaciens besitzt einen großen Wirtspflanzenkreis (140 Gattungen aus 61 Familien). [3] Besonders anfällig sind Rosengewächse, zahlreiche Obstsorten, Weinreben, Hopfen, Tabak, Tomaten, Rüben, Chrysanthemen und Pelargonien. [4]

Das Bakterium kann auch außerhalb von Pflanzen in Böden oder Pflanzenrückständen überdauern, wo es saprophytisch lebt, also von abgestorbenem organischen Material.

Als Eintrittspforten für A. tumefaciens dienen hauptsächlich Wunden, wie sie bei Pflege- und Kulturmaßnahmen entstehen, z.B. Veredlungs- und Schnittmaßnahmen, oder auch durch mechanische Einwirkungen wie Windbruch, Hagel, Frost oder Tierfraß. Nach Eindringen in den Wirt induziert A. tumefaciens permanente krebsartige Wucherungen an den befallenen Pflanzenorganen, den sog. Wurzelkropf. Da das Bakterium im Boden vorkommt, sind meist die Wurzeln oder Pflanzenorgane in Wurzelnähe bzw. in der Nähe der Veredelungsstelle betroffen. Die Tumorbildung der Wirtspflanze dient der Produktion von ungewöhnlichen Aminosäuren, sog. Opinen, die A. tumefaciens als Energiequelle (Stickstoff- und Kohlenstoff-Quelle) nutzt. Die Wirtspflanze kann diese speziellen Aminosäuren nicht verwerten. Das Bakterium verändert also die Wirtspflanzenzelle und deren Stoffwechsel in der Art, dass sie für das Bakterium günstige Umweltbedingungen schafft und es mit Nährstoffen versorgt.

Besonderheit: Gentransfer in die Wirtspflanze

Ob eine Art der Gattung Agrobacterium pathogen ist, hängt vom Vorhandensein eines speziellen DNA-Moleküls in der Bakterienzelle ab, dem sog. Tumor-induzierenden Plasmid (Ti-Plasmid) bzw. bei einigen Agrobakterien dem Wurzelhaar-induzierenden Plasmid (Ri-Plasmid). Ein Plasmid ist ein relativ kleiner, sich autonom replizierender, ringförmiger DNA-Doppelstrang, der zusätzlich zur ebenfalls ringförmigen Bakterien-DNA in der Bakterienzelle vorliegt.

Gentransfer in die Pflanzenzelle
* A: Agrobacterium Zelle * B: Agrobacterium DNA * C: Ti Plasmid :* a: T-DNA :* b: Virulenzgene :* c: Replikationsursprung :* d: Opin Katabolismus * D: Pflanzenzelle * E: Mitochondrium * F: Chloroplast * G: Zellkern

A. tumefaciens besitzt ein Tumor-induzierendes Plasmid. Ausgelöst durch Signalsubtanzen (Acetosyringone) aus frisch verwundeten Pflanzenzellen, heftet sich der Erreger an diese Pflanzenzellen an. Dann werden Teile des Ti-Plasmids, die sog. T-DNA, in die Pflanzenzelle geschleust und in die DNA des Zellkerns übertragen. [5] Diese transformierten Wirtspflanzenzellen synthetisieren nun die für das Bakterium nützlichen Aminosäuren Octopin und Nopalin (Opine). Außerdem bilden die Pflanzenzellen Phytohormone (Indolessigsäure und Cytokinin), die die Zellteilung stimulieren und zu den unkontrollierten Wucherungen führen. Durch diese außergewöhnliche Strategie verändert das Bakterium die Erbinformation der Pflanzenzelle, so dass diese ihren Stoffwechsel zugunsten des Bakteriums verändert. Dies ist der bisher einzige bekannte Fall, in dem unter natürlichen Bedingungen fremde DNA im Genom einer Pflanze integriert wird. [6]

Bekämpfung

Eine direkte Bekämpfung von Agrobacterium ist nicht möglich, deshalb kommt indirekten Bekämpfungsmaßnahmen eine besondere Bedeutung zu (Befallsvermeidung).

Da Agrobacterium auch latent (d.h. symptomlos) in der Pflanze vorliegen kann, ist schon beim Ankauf von Jungpflanzen auf gesundes Pflanzgut zu achten.

Mechanische Schäden, z.B. durch Hagel oder Frost, sollten soweit wie möglich vermieden werden.

Da Agrobacterium bei Kulturmaßnahmen, z.B. der Veredlung von Gehölzen, übertragen wird, sollten die Pflanzenoberfläche mit geeigneten zugelassen Desinfektionsmitteln behandelt werden. Ebenso sind Hände und Werkzeuge, die mit befallenen Materialien in Kontakt waren, sorgfältig zu reinigen und zu desinfizieren (z.B. für Stellflächen und Gerätschaften mit MENNO Florades). Bei Schnittmaßnahmen in befallenen Anlagen sollten Baumscheren beispielsweise nach jedem Schnitt für 30 Sekunden in 70%igen Ethanol gestellt werden. [7] Das Eintauchen der Geräte in kochendes Wasser (ca. 1 Minute) ist je nach Beschaffenheit der Geräte ebenfalls ein wirksames Mittel zur Abtötung von Krankheitserregern.

Neupflanzungen von anfälligen Obstbäumen und –sträuchern sollten nicht auf Flächen stattfinden, auf denen die Krankheit zuvor auftrat. Auf solchen Flächen sollte der Boden mindestens fünf Jahre nur mit resistenten Pflanzen, beispielsweise Einkeimblättrigen oder Leguminosen, bepflanzt werden (Standortwechsel).

Dort, wo Befall auftritt, müssen die betroffenen Pflanzen schnellst möglich entfernt und vernichtet werden. Böden müssen bei mindestens 80°C für 30 Minuten gedämpft werden.

In anderen Ländern, u.a. den USA, wird ein biologisches Verfahren zur vorbeugenden Bekämpfung von A. tumefaciens eingesetzt. Es handelt sich um die Biologische Bekämpfung mit Bakteriocinen. In Deutschland hat dieses Verfahren keine Zulassung. Es beruht auf dem Einsatz von Bakterienproteinen, die auf verwandte Arten oder Stämme toxisch wirken. Seit 1973 wird das sog. Agrocin 84 (gebildet von Agrobacterium radiobacter pv. radiobacter Stamm K 84) weltweit zur Prophylaxe gegen Wurzelkropf bei Rosaceen angewendet. [8] Bei diesem Verfahren werden lebende Bakterien in wässriger Suspension an Wurzeln und Stecklingen im Tauchverfahren oder als Saatgutbeizung eingesetzt. Damit kann über 90% Befallsvermeidung erzielt werden. Das Verfahren hatte keinen Erfolg an Kernobst und Weinreben in Mittel- und Südeuropa, da dort nicht-sensitive Biotypen von A. tumefaciens vorkommen. Inzwischen gibt es einen weiteren, genetisch veränderten Stamm K 1026 von Agrobacterium radiobacter, der sein Resistenzgen gegen das eigene Bacteriocin nicht mehr auf pathogene Bakterien übertragen kann, wie das bei dem Stamm K 84 möglich ist (und somit das Bacteriocin wirkungslos macht). [9]

Einzelnachweise

  1. Moltmann, E. und Vierig, M. (2008): Wurzelkropf oder Bakterienkrebs an Rosen, LTZ Augustenberg, 2008
  2. Moltmann, E. und Vierig, M. (2008): Wurzelkropf oder Bakterienkrebs an Rosen, LTZ Augustenberg, 2008
  3. Hoffmann et al.: Lehrbuch der Phytomedizin. Blackwell, Berlin, 3. Auflage 1994
  4. Moltmann, E. und Vierig, M. (2008): Wurzelkropf oder Bakterienkrebs an Rosen, LTZ Augustenberg, 2008
  5. Hoffmann et al.: Lehrbuch der Phytomedizin. Blackwell, Berlin, 3. Auflage 1994
  6. Hoffmann et al.: Lehrbuch der Phytomedizin. Blackwell, Berlin, 3. Auflage 1994
  7. Moltmann, E. und Renner, E.: Desinfektion von Baumscheren beim Ausschneiden von Feuerbrand, LTZ Augustenberg
  8. Hoffmann et al.: Lehrbuch der Phytomedizin. Blackwell, Berlin, 3. Auflage 1994
  9. Moltmann, E. und Vierig, M. (2008): Wurzelkropf oder Bakterienkrebs an Rosen, LTZ Augustenberg, 2008

Quellen

  • Elstner, E.F., Oßwald, W. und Schneider, I. (1996): Phytopathologie. Spektrum. Heidelberg-Berlin-Oxford. ISBN 3-8274-0074-0
  • Hoffmann et al. (1994): Lehrbuch der Phytomedizin. Blackwell. Berlin, 3. Auflage. ISBN 3-8263-3008-0
  • Moltmann, E. und Renner, E.: Desinfektion von Baumscheren beim Ausschneiden von Feuerbrand, LTZ Augustenberg, gefunden am 26.6.2013 unter

http://www.landwirtschaft-bw.info/pb/,Len_US/665496?LISTPAGE=665464

Weblinks