Süßkirschenunterlagen

Aus Hortipendium
Wechseln zu: Navigation, Suche

Es wird nicht mehr dazu geraten, starkwüchsige Unterlagen wie Prunus avium, P. mahaleb oder ‘Colt’ zu pflanzen. Inzwischen sind die Vor- und Nachteile vieler schwachwuchsinduzierender Unterlagen genauer bekannt. Man weiß z.B., dass eine zusätzliche Wasserversorgung um so wichtiger wird, je schwächer die Sorten/Unterlagen-Kombination ist, dass unter Umständen schärfer geschnitten und mehr gedüngt werden muß, dass die Virusfreiheit des Ausgangsmaterials enorm wichtig geworden ist. In Trockenklima ohne Bewässerungsmöglichkeit wurde 10 Jahre lang der amerikanischen Maxma Delbard 14 (P.avium x P. mahaleb) der Vorzug gegeben (Wuchsreduktion gegenüber Vogelkirsche: 20 - 40 Prozent). Inzwischen findet eine Abkehr von Maxma 14 statt hin zu Unterlagen wie PiKu 1 oder Gisela 6. Grund: Maxma 14 zeigt nicht überall eine hohe Produktivität. Auf manchen Standorten, besonders dort, wo der Boden relativ schwer ist oder zu Staunässe neigt, lässt die Baumgesundheit zu wünschen übrig.
Wo die Wasserverhältnisse stimmen, greift man vorwiegend zur schwachwüchsigeren GiSelA 5 aus der Gießener Züchtung (P. cerasus x P. canescens), die im deutschen Sprachraum inzwischen einen Marktanteil von nahezu 80 % erreicht hat. Die untenstehende Aufstellung stellt den aktuellen Erfahrungsstand zu den im Handel befindlichen Unterlagen dar.

Prunus avium (starkwachsend)

Referenzwuchstärke = 100%
Generelle Eigenschaften:
Leichte Anzucht, guter Stammbildner, mit allen Süß- und Sauerkirschensorten verträglich, Großfrüchtigkeit, Nachbauprobleme.

Limburger Vogelkirsche

generativ vermehrte geradschäftige Standardunterlage.

Alkavo

generativ vermehrt, wird in Ostdeutschland positiv bewertet, da sie tendenziell etwas schwächerwüchsig als der Vogelkirschen-Standard und sehr gleichmäßig sein soll.

Hüttners Hochzucht 170 x 53

generativ, sehr gesunde und leistungsfähige Bestände, Verbreitung hauptsächlich in Norddeutschland, stärkste P. avium-Unterlage.

F 12-1

Englischer Klon, vegetativ vermehrt, etwas schwächer als die übrigen, Wurzelschosser, unter Grenzbedingungen schlechtere Verträglichkeit und Produktivität, hohe Anfälligkeit gegen Wurzelkropf (Agrobacterium tumefaciens). Besonders wegen der leichten Vermehrbarkeit noch von Bedeutung.

Prunus mahaleb (mittelstark - stark)

Referenzwuchsstärke = 80-100%
Die Bedeutung dieser Unterlagen nimmt in Trockengebieten mit leichten Böden wieder etwas zu. Zu warnen ist vor Pflanzungen auf schweren Böden.
Generelle Eigenschaften:
nur für leichte Böden, sonst Absterben einzelner Bäume nach 6 - 10 Jahren, auch bei Sauerkirschen. Sehr anfällig für Mäusefraß, wenig Wurzelschosser, frosthart.

Saint-Lucie 64, vegetativ

Auf geeignetem Standort 90 % Wuchsstärke im Vergleich zu Limburger. Wichtigste Kirschenunterlage in Frankreich.

Ferci-Pontaleb (GF 405), generativ

Etwas schwächer im Wuchs, aber produktiver als SL 64

Prunus cerasus (schwach bis mittelstark)

Generelle Eigenschaften:
Wuchsbremse, frosthart, Verträglichkeit nur bei vf-Material gegeben, mittlere bis hohe Ansprüche an den Boden, gute Fruchtgröße durch Schnitt und Zusatzbewässerung fördern. Für Schattenmorellen nur in stärkeren Typen geeignet.
Für den Nachbau nach Steinobst generell nicht geeignet.

Tabel Edabriz

Referenzwuchsstärke = 30%
Herkunft: Iran, in Frankreich selektiert
Verträglichkeit: bisher mit allen Sorten gegeben, wenn strikt auf Virus-Freiheit geachtet wird. Nur leichte Wulstbildung.
Ertragsverhalten: sehr gut
Beginn des Fruchtens: sehr früh
Wuchsreduzierung: ca. 70 % von Limburger
Sonstiges: gutes Baumschulverhalten, chloroseanfällig, in windigen Lagen mit Pfahl, früh vergreisend.
Empfehlung: Scheint in D nur auf wenigen Standorten, vornehmlich auf solchen mit mittleren, nicht zu schweren Böden, zu funktionieren, dort für Dichtpflanzungen. In niederschlagsärmeren Gebieten (<800 mm) nur mit Tropfbewässerung. Nur für starkwüchsige Sorten. Nicht im Nachbau. Wird hier von Baumschulen inzwischen nicht mehr angeboten.

Weiroot-Klone

  • Frühe und hohe Erträge (ab 3. Standjahr)
  • (verzögerte) Unverträglichkeiten bei Van, Sam, Charmes, Schweizer Sorten, wenn nicht absolut virusfrei
  • Hohe Bodenansprüche, nicht im Nachbau

W 72 (Wuchs 20-30 % im Vergleich zu Vogelkirsche)
W 53 (Wuchs 40-50 % im Vergleich zu Vogelkirsche)
W 158 (Wuchs 60 % im Vergleich zu Vogelkirsche)
W 154 (Wuchs 60 % im Vergleich zu Vogelkirsche)
W 13 (Wuchs 80 % im Vergleich zu Vogelkirsche)


W 72 gilt als gleichmäßiger im Wuchs als W 53. W 154 ist nicht interessant, denn sie macht zu viele Wurzelschosser. W 13 auch auf leichteren Böden und ohne Zusatzbewässerung möglich. Als gleichmäßigster Klon gilt W 13. Keine Empfehlung, da das Wuchsverhalten je nach Standort und Sorte zu unterschiedlich ist. Die Klone sind im Handel nicht mehr verfügbar.

Hybriden


Colt

Referenzwuchsstärke = 80%

Kreuzung P. mahaleb x P. pseudocerasus, England
Verträglichkeit mittel, häufig Luftwurzeln, Wulstbildung
Boden Kommt aufgrund des flachen Wurzelsystems auch mit schweren, zu Staunässe neigenden Böden zurecht
Ertragsverhalten Insgesamt ungünstiger Einfluss auf Ertragsbeginn und Ertragshöhe
Wuchs Schöne Bäume, besonders in den Anfangsjahren. 10-30 % schwächer als Vogelkirsche
Nachbau nach Steinobst In Rheinland-Pfalz gute Nachbau-Eignung
Sonstiges Gute Verankerung, kann Winterfrostschäden erleiden, anfällig für Agrobacterium, aber wenig für die Pfeffinger-Virose
Empfehlung Nicht auf Trockenstandorten, sonst Gefahr von schlechter Fruchtgröße. Generell keine Empfehlung mehr.


Maxma Delbard 14

Referenzwuchsstärke = 60 - 70%

Kreuzung P. mahaleb x P. avium, Oregon, USA
Verträglichkeit kein, oder nur geringer Wulst
Boden Mittlere und leichte Böden, auch kurzzeitige Staunässe wird nicht vertragen
Ertragsverhalten mittel, nach 5-6 Jahren gut
Wuchsreduzierung 30-40 % schwächer als Vogelkirsche 5
Nachbau nach Steinobst In Rheinland-Pfalz gute Nachbau-Eignung
Sonstiges Kann besonders zur Fruchtreife hin chlorotisch werden. Im Folgejahr wirkt der Baum oft wieder gesund. Mittlere Phytophthoraanfälligkeit, Verzweigung etwas schwächer, wurzelt tief. Im Pflanzjahr oft schlechter Start. Kommt im 6. Jahr schlagartig in die generative Phase. Vorher mit stärkerem Schnitt und erhöhter Nährstoffversorgung reagieren. Auf Rindenwickler- und Holzbohrerbefall achten.
Empfehlung Unterlage mit stark abnehmender Bedeutung. Eher auf leichteren Böden pflanzen. Im Nachbau zwar möglich, aber deutlich schwächer im Wuchs, daher dann doppelte Pflanzdichte. Die Gleichmäßigkeit älterer Anlagen lässt oft zu wünschen übrig.


Maxma Delbard 60

Referenzwuchsstärke = 90%

Kreuzung P. mahaleb x P. avium, Oregon, USA
Verträglichkeit gut, glatte Verwachsung
Boden Größere Anbaubreite als Maxma 14, auch zu schweren Böden hin.
Ertragsverhalten Trotz der hohen Wuchsstärke in Frankreich produktiver als

P. mahaleb, in D nicht produktiver als Maxma 14

Wuchsreduzierung In Frankreich teilweise stärker, teilweise etwas schwächer als P. mahaleb eingeordnet. In Deutschland zwischen Colt und P. avium
Nachbau nach Steinobst In Rheinland-Pfalz gute Nachbau-Eignung
Sonstiges Bessere Trockenheitsresistenz als Maxma 14 und homogenere Bestände, nach Praxiserfahrungen gute Nachbaueignung. Anfällig für Kaninchenverbiss.
Empfehlung In Deutschland noch neue Unterlage. Bisher frohwüchsig und gesund. Einsatzbereich bei Süßkirschen auf trockenen Standorten bzw. im Nachbau mit mittleren bis leichten Böden ohne Bewässerungsmöglichkeit. Generell für mechanisch zu beerntende Sauerkirschenanlagen interessant.


PiKu 1

(frühere Bezeichnung 4,20)
Referenzwuchsstärke = 50 - 70%

Kreuzung P. avium x (P. canescens x P. tomentosa)
Verträglichkeit Bisher keine Probleme
Boden Auf sehr schweren und zu Staunässe neigenden Böden können Probleme auftreten.
Ertragsverhalten Früh einsetzende Erträge, in Koblenzer Versuchen höhere Produktivität als Maxma 14 bei guter Fruchtgröße
Wuchsreduzierung Hier herrscht momentan noch Unsicherheit. Auf wüchsigen Böden recht kräftig, sogar tendenziell etwas stärker als Maxma 14, auf leichten Böden fast im Bereich Gisela 5
Nachbau nach Steinobst In Rheinland-Pfalz gute Nachbau-Eignung
Sonstiges Gute Nachbau-Eignung, 25 % enger pflanzen.
Empfehlung Auf fast allen Standorten mit allen Sorten. Ausnahme sehr schwere, zur Vernässung neigende Böden. In der Regel keine Zusatzbewässerung. Bezüglich Produktivität und Gleichmäßigkeit der Bestände Verbesserung zu Maxma 14.

GI-SEL-A 3

(frühere Bezeichnung: 209/1)
Referenzwuchsstärke = 30%

Kreuzung Prunus cerasus x Prunus canescens
Verträglichkeit bisher gut, wenn vf-Material. Virustoleranz wie G 5
Boden Nur gute, wüchsige Böden
Ertragsverhalten Erträge sehr früh einsetzend, ab dem 4. Standjahr bei fruchtbaren Sorten Neigung zum Überbehang (overcrop-ping), insgesamt aber nicht fruchtbarer als Gisela 5.
Wuchsreduzierung ca. 70 % schwächer als Vogelkirsche
Nachbau nach Steinobst In Rheinland-Pfalz gute Nachbau-Eignung
Sonstiges Flach und gleichmäßig verzweigend. Nach dem 3. Jahr Neigung zur Verkahlung von innen aus dem Baum heraus. Relativ helles Laub. Regeneriert nach kräftigem Schnitt gut. Keine Wurzelschosser.
Empfehlung Spezielle Empfehlung für sehr wüchsige Standorte und unter Folienüberdachung. Nicht geeignet in sehr warmem Klima (südliche Länder), dort Vergreisung auch auf guten Böden.


GI-SEL-A 5

(frühere Bezeichnung: 148/2)
Referenzwuchsstärke = 40 - 50%

Ertragsanlage GI-SEL-A 5
Kreuzung Prunus cerasus x Prunus canescens
Verträglichkeit Gut, wenn vf-Material. Relativ hohe Virustoleranz im Vergleich zu anderen Gießener Klonen.
Boden Alle Böden mit guter Wasserführung, auf leichten Böden unbedingt mit Zusatzbewässerung
Ertragsverhalten Erträge früh einsetzend, ab dem 4. Standjahr bei fruchtbaren Sorten und/oder wenig Wüchsigkeit Neigung zum Überbehang (overcropping)
Wuchsreduzierung 50-60 % schwächer als Vogelkirsche
Nachbau nach Steinobst In Rheinland-Pfalz gute Nachbau-Eignung
Sonstiges Flach und gleichmäßig verzweigend. Nach dem 5. Jahr Neigung zur Verkahlung von innen aus dem Baum heraus. Keine Wurzelschosser. Gute Frosthärte.
Empfehlung Für alle Sorten geeignet. Auf traditionellen Kirschenstandorten ab 5. - 6. Jahr Winterschnitt zur Anregung des Neutriebes notwendig. Zusatzbewässerung auf weniger wüchsigen Standorten ist sinnvoll. Im Nachbau geeignet bei ca um 1/3 erhöhter Pflanzdichte. Standardunterlage im mitteleuropäischen Kirschenanbau.


GI-SEL-A 6

(frühere Bezeichnung: 148/1)
Referenzwuchsstärke = 60 - 75%

Kreuzung Prunus cerasus x Prunus canescens
Verträglichkeit Gut, wenn vf-Material. Relativ hohe Toleranz gegen pollenbürtige Viren.
Boden Breites Anbauoptimum, auch für leichtere Böden geeignet.
Ertragsverhalten Erträge früh einsetzend. Trotz der größeren Wüchsigkeit wie Gisela 5 kann auch hier bei fruchtbaren Sorten Neigung zum Überbehang auftreten.
Wuchsreduzierung 25-40 % schwächer als Vogelkirsche
Nachbau nach Steinobst In den Nachbau-Eigenschaften mit GiSela 5 vergleichbar
Sonstiges Standfestigkeit ohne Pfahl bisweilen unbefriedigend. Keine Wurzelschosser.
Empfehlung Mittelstarke, in Deutschland ist der Anbau sowohl auf leichteren wie auch auf schwereren Böden möglich. Für alle Sorten geeignet. Trotz des guten Wuchses ist auf sehr trockenen Standorten eine Zusatzbewässerung sinnvoll. Auch die Neigung zum Überbehang muss beim Schnitt Beachtung finden. Aufgrund der eingeschränkten Standfestigkeit auf kompakte, niedrige Baumerziehung achten.


PHL-C

(frühere Bezeichnung: 148/1)
Referenzwuchsstärke = 50 - 60%

Kreuzung P. avium freie Abblüte, Vatersorte wahrsch. P. cerasus
Verträglichkeit Bei gesundem Unterlagen- und Sortenmaterial derzeit keine Probleme
Boden
Ertragsverhalten Früh einsetzende Erträge bei guter Fruchtgröße
Wuchsreduzierung 40-50 % schwächer als Vogelkirsche, etwas stärker als GiSelA 5
Sonstiges Besonders auf schweren Böden Bildung zahlreicher Wurzelschosser, empfindlich für Feldmäuse. Guter Baumaufbau.
Empfehlung Auf leichten Böden eine schwache bis mittelstarke Unterlage mit relativ geringer Wurzelschosserbildung. Relativ gute Trockenheitstoleranz, nicht ganz so produktiv wie Gisela 5. Auf schweren Böden zu wüchsig. Nicht für den Nachbau geeignet. Geringe Bedeutung

Quellen

Martin Balmer (2010): Intensivierung im Tafelkirschenanbau. DLR Rheinpfalz, Kompetenzzentrum Gartenbau. Rheinbach.