Birnenverfall

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Birnenverfall
Candidatus Phytoplasma pyri
Synonyme
Pear Decline
PearDeclineSymptome.jpg
Typische Rotfärbung der Bäume im Spätsommer
Systematik
Abteilung Firmicutes
Klasse Mollicutes
Ordnung Acholeplasmatales
Familie Acholeplasmataceae
Gattung Candidatus Phytoplasma

Der Birnenverfall (Pear Decline) ist eine wichtige bakterielle Krankheit der Birne und spielt für den Obstbau eine ebenso wichtige Rolle wie der Feuerbrand (Erwinia amylovora) und der Bakterienbrand. [1] Der Birnenverfall wird durch Phytoplasmen verursacht. Phytoplasmen sind zellwandlose Bakterien, die nur in den Siebröhren (Phloem) der befallenen Pflanzen vorkommen. Im Winter besiedeln die Bakterien die Wurzeln und streben im Frühjahr mit dem Saftstrom der Pflanzen in die oberirdischen Pflanzenteile. Phytoplasmen gehören in die Klasse der Mollicutes, die früher als mycoplasma-like organisms (MLO) bezeichnet wurden. [2]

Beim Erreger des Birnenverfalls handelt es sich um Candidatus Phytoplasma pyri (PD), der eng verwandt ist mit den Erregern der Apfeltriebsucht (AP) (Candidatus Phytoplasma mali) und der Europäischen Steinobstvergilbung (ESFY) (Candidatus Phytoplasma prunorum).[3] Da Phytoplasmen nicht auf künstlichen Medien außerhalb der Wirtspflanze kultiviert werden können, ist ihre Erforschung sehr schwierig. Diese drei wichtigen Erkrankungen werden daher als Candidatus beschrieben (Erreger, die in der Taxonomie nur unvollständig beschrieben werden können). [4]. Der Birnenverfall wird von der EPPO als Quarantäne-Schädling eingestuft.[5]


Übertragung

Vektoren des Birnenverfalls ist der Birnenblattsauger Cacopsylla pyricola. Er verlässt den befallenen Birnenbaum nicht, sondern überwintert in Rissen in der Baumrinde. Das Bakterium kann innerhalb weniger Stunden in den Vektor gelangen und verbleibt dort für mindestens drei Wochen. Mögliche weitere Vektoren sind Cacopsylla pyri und Cacopsylla pyrisuga. Für eine Infektion bzw. eine Übertragung der Phytoplasmosen scheinen das Alter der Bäume und die Sorte keine Rolle zu spielen. Viele Bakterien wurden in den Siebröhren des primären und nur vereinzelt in den Siebröhren des sekundären Phloems von infizierten Bäumen gefunden.[5]

Aber nicht nur der Birnenblattsauger kann das Bakterium übertragen. Die Übertragung der Krankheit durch die vegetative Vermehrung , d.h. durch Veredelungen der Unterlagen, ist zu berücksichtigen. Wurzelverwachsungen sind bei der Übertragung ebenfalls nicht auszuschließen. [1]


Symptome

Phloem-Nekrosen im Bereich der Veredlungsstelle

Es existieren zwei Arten des Birnenverfalls: der Schnelle Birnenverfall (quick decline) und der Langsame Birnenverfall (slow decline) oder auch Blattkräuseln (leaf curl) genannt. Welche Symptome in der Anlage auftreten ist abhängig von der Sensibilität der Unterlage auf eine Infektion und von den Kulturmaßnahmen in der Anlage, insbesondere in der Bekämpfung der Vektoren. [5]


Schneller Birnenverfall (quick decline)

Beim Schnellen oder auch Raschen Birnenverfall treten im Phloem der Vegetationspunkte irreparable Schäden auf, so dass die Wurzeln während der Vegetationsperiode regelrecht verhungern, die Früchte in ihrer Entwicklung stehen bleiben und Früchte und Laub schnell verwelken, verbräunen und sterben ab. Bei einer Infektion mit dem Schnellen Birnenverfall kollabieren die Bäume und sterben innerhalb weniger Wochen.[5] Diese Form ist bisher an der Niederelbe nicht auffällig geworden. [1]


Langsamer Birnenverfall (slow decline)

Beim Langsamen Birnenverfall ist eine zunehmende Welke des Baumes zu beobachten, die in ihrem Ausnahm schwanken kann (mal stärker, mal schwächer). Grundsätzlich ist das Längenwachstum der Bäume verringert oder fehlt völlig. Die Blätter sind im Vergleich zu gesunden Bäumen kleiner, ledrig und hellgrün. Insgesamt trägt ein infizierter Baum weniger Laub. Ein weiteres Symptom sind die leicht noch oben gewölbten Blattränder (leaf curl). Im Herbst zeigt sich eine Infektion durch eine abnormale Rotfärbung der Blätter und einem frühzeitigen Blattfall.
Bei einer frischen Infektion zeigen die Bäume eine starke Blüte, bei der fortschreitenden Krankheit werden im Vergleich zu gesunden Bäumen weniger Blüten gebildet. Der Fruchtansatz ist verringert, die Früchte reifen nicht mehr vollständig aus und sind kleiner oder fehlen ganz.
Der verringerte Wuchs in den folgenden Jahren zeigt sich insbesondere an den Trieben der Blattbüschel. Die meisten Feinwurzeln sind abgestorben, während die längeren Wurzeln normal erscheinen.[5] Im Bereich der Veredlungsstelle können Nekrosen im Phloem beobachtet werden. [1]

Wirtspfanzen

Die Hauptwirte dieser Bakterien sind Birnen. Birnenbäume mit den Unterlagen Pyrus pyrifolia and Pyrus ussuriensis sind anfällig für raschen Verfall, wohingegen Pflanzen mit den Unterlagen Pyrus communis, Pyrus betulifolia and Pyrus calleryana eher anfällig für einen langsamen Verfall sind. Die Krankheit kann auch an der Quitte auftreten. [5]


Anfälligkeit von Birnenunterlagen auf eine Infektion mit PearDecline [6]
+ kaum anfällig,  ± mittel anfällig,   - anfällig
Quitte A Quitte Adams Quitte C Quitte SYDO Quitte BA29 OHF-Sämlinge Sämling
± ± ± ± + ± + ± ± -

Bekämpfung

Es gibt keine direkte Bekämpfungsmöglichkeit des Birnenverfalls. Eindeutig erkrankte Bäume sind mit Wurzeln und Wurzelaustrieben aus der Anlage zu entfernen. Da die optische Felddiagnose mangels eindeutiger Symptome zweifelshaft ist, ist die Diagnose dieser Krankheit durch PCR (Polymerase-Ketten-Reaktion) besonders wichtig. Im Julius Kühn-Institut (JKI) wurde eine geeignete DNA-Sequenz entwickelt, die als Marker für die Gruppe der Phytoplasmen eingesetzt werden kann, um verdächtige Bäume zu diagnostizieren. Obstbauern, die ihre Birnenbäume auf eine Infektion untersachen lassen möchten, können sich mit der AlPlanta - Institut for Plant Research, Dr. Wolfgang Jarausch in Verbindung setzen. [1]

Eine indirekte Bekämpfung liegt in der Bekämpfung des Überträgers, des Birnenblattsaugers. Schon bei der Unterlagenvermehrung und in den Baumschulen ist eine Befallskontrolle zu empfehlen.[1]


Können wir trotzdem etwas tun? Die Überlegung war, die Phloem-Nekrosen in der Veredlungsstelle durch Einsägen mit der Motorsäge aufzubrechen. Hierzu wurde Ende März mit der Motorsäge längs in die Veredlungsstelle eingesägt. Der Schnitt wurde mindestens zweimal gemacht, um dem Baum anzuregen, neue Leitungsbahnen zu produzieren. Die Einschnitttiefe war ca. 1 - 3 cm je nach Alter der Bäume und der Dicke des Stammes. Bei dem Schnitt ist darauf zu achten, dass die Veredlungsstelle frei gelegt ist oder freigelegt werden muss, da sonst zu oft in die Erde gesägt wird und die Ketten sofort stumpf werden. Nach einigen Testbäumen in 2007 und vielversprechenden Textergebnissen wurden in 2008 gezielt Bäume markiert und eingesägt. Die Kontrollbäume zeigten zu 91 % Befall mit Pear decline, während die gesägten Bäume nur noch 34 % Befall hatten. Bei optischen Nachkontrollen in den Jahren 2009 und 2010 zeigten die im 2008 grünen Bäume auch in diesen Jahren keine Rotfärbung. Warum dies so ist, kann nur damit erklären, dass sich neues Leitungsgewebe gebildet hat. Die Verwachsungen und die gute Wundheilung nach dem Schnitt sind deutlich zu sehen. [7]


Einzelnachweise

  1. a b c d e f Palm, G. (2010): Der Birnenverfall. Eine bedeutende Krankheit der Birne. Obstbau (8), August 2010, Seite 422 - 423
  2. http://www.apfeltriebsucht.info/info_apfeltrieb.html
  3. Seemüller, E. & Schneider, B., 2004: `Candidatus Phytoplasma mali`, `Candidatus Phytoplasma pyri`and 'Candidatus Phytoplasma prunorum`, the causal agents of apple proliferation, pear decline and European stone fruit yellows, respectively. Int. J. Syst. Evol. Microbiol. 54: 1217-1226.
  4. Murray, R. G. E. & Schleifer, K. H. (1994). Taxonomic notes: a proposal for recording the properties of putative taxa of procaryotes. Int J Syst Bacteriol 44, 174–176.
  5. a b c d e f http://www.eppo.org/QUARANTINE/bacteria/Pear_decline/PHYPPY_ds.pdf
  6. H.J. Weber: Birnenunterlagen – keine M 9 in Sicht. DLR Rheinpfalz, Ahrweiler 2007.
  7. Weber, H.-J. (2010): Der Birnenverfall – und dann?, DLR Rheinpfalz, Kompetenzzentrum Gartenbau, Rheinbach

Weblinks