Integrierter Pflanzenschutz

Aus Hortipendium
Wechseln zu: Navigation, Suche
Der Marienkäfer, ein Säuberungsräuber, ernährt sich von Blattläusen, Schildläusen Thripse und Eilarven von Insekten. Auch das Mycel des Echten Mehltaupilzes wird als Nahrung aufgenommen. Eine ausreichende Reduzierung des Pilzes schafft der Marienkäfer nicht.

Der integrierte Pflanzenschutz gilt als Leitbild des praktischen Pflanzenschutzes. Er umfasst Systeme, in denen alle wirtschaftlich, ökologisch und toxikologisch geeigneten Verfahren in möglichst guter Abstimmung verwendet werden, um Schadorganismen unter der wirtschaftlichen Schadensschwelle zu halten, wobei die bewusste Ausnutzung natürlicher Begrenzungsfaktoren im Vordergrund steht.

Der §2 des Pflanzenschutzgesetzes definiert integrierten Pflanzenschutz als eine Kombination von Verfahren, bei denen unter vorrangiger Berücksichtigung biologischer, biotechnischer, pflanzenzüchterischer sowie anbau- und kulturtechnischer Maßnahmen die Anwendung chemischer Pflanzenschutzmittel auf das notwendige Maß beschränkt wird. Nach §2a gehört zur guten fachlichen Praxis bei der Durchführung von Pflanzenschutzmaßnahmen die Berücksichtigung des integrierten Pflanzenschutzes.

Der integrierte Pflanzenschutz beginnt bereits bei der Auswahl des für die Kulturpflanze geeigneten Standortes, der sachgerechten Bodenbearbeitung, der Wahl des geeigneten Saat- bzw. Pflanztermins, Verwendung von gesundem Saat- bzw. Pflanzgut einer möglichst gegenüber den vorherrschenden Schadorganismen widerstandsfähigen Sorte, sowie einer ausgewogenen organischen oder mineralischen Düngung. Eine möglichst vielseitige Fruchtfolge sollte eingehalten werden. Gezielte chemische Pflanzenschutzmaßnahmen sollten nach Möglichkeit unter Beachtung entsprechender Bekämpfungsschwellen bzw. Schadensschwellen oder einschlägiger Prognoseverfahren durchgeführt werden.

Im Rahmen des integrierten Pflanzenschutzes kann auch der Biologische Pflanzenschutz eine Rolle spielen. Er umfasst die durch den Menschen gesteuerte Nutzung von Organismen (einschließlich Viren) und deren Leistungen zum Schutz von Pflanzen gegenüber Belastungen durch biotische oder abiotische Faktoren. Beispiele sind der Einsatz von Nützlingen, d.h. Räubern oder Parasiten gegenüber tierischen Schädlingen (beispielsweise Schlupfwespen gegen Maiszünsler) oder von Antagonisten gegen pilzliche Schaderreger (zum Beispiel Coniothyrium minitans gegen Sclerotinia sclerotiorum, den Erreger der Weißfäule an Raps).

Grundlagen und Bedeutung des integrierten Pflanzenschutzes

In § 2a Abs. 1 PflSchG wird bestimmt, dass Pflanzenschutz nur nach guter fachlicher Praxis durchgeführt werden darf. Im weiteren Verlauf heißt es dort: „Zur guten fachlichen Praxis gehört, dass die Grundsätze des integrierten Pflanzenschutzes und der Schutz des Grundwassers berücksichtigt werden.“
Was unter integriertem Pflanzenschutz im Sinne des Gesetzes zu verstehen ist, wird in § 2 bestimmt: „eine Kombination von Verfahren, bei denen unter vorrangiger Berücksichtigung biologischer, biotechnischer, pflanzenzüchterischer sowie anbau- und kulturtechnischer Maßnahmen die Anwendung chemischer Pflanzenschutzmittel auf das notwendige Maß beschränkt wird“.

Schadensschwellenprinzip

Nicht immer ist das Auftreten von Krankheiten und Schädlingen an Kulturpflanzen auch mit bedeutenden Ertrags-, Qualitäts- und Einkommensverlusten verbunden. Eine chemische Bekämpfung sollte erst dann durchgeführt werden, wenn der zu erwartende Schaden höher als die Kosten für eine Behandlung liegt (Prinzip der wirtschaftlichen Schadensschwelle). Die wirtschaftliche Schadensschwelle gibt die Befallsstärke an, die unter Berücksichtigung wirtschaftlicher Aspekte gerade noch geduldet werden kann.

Einsatzoptimierung

Die Befallsprognose (Vorhersage eines Befalls), ist in vielen Fällen die Voraussetzung für gezielte Bekämpfungsmaßnahmen. Dafür müssen neben der Witterung (Temperatur, Feuchtigkeit), das Entwicklungsstadium der Rebe sowie das Auftreten des Schaderregers (Krankheit, Schädling) und seine Ansprüche an die Witterungsbedingungen berücksichtigt werden. So dient zum Beispiel die Beobachtung des Mottenflugs beim Traubenwickler zur Festlegung des Bekämpfungstermins gegen den Heu- oder Sauerwurm. Für die gezielte Bekämpfung der Rebenperonospora muss der Zeitpunkt einer möglichen Infektion prognostiziert werden. Dazu ist ein möglichst dichtes Netz agrarmeteorologischer Messstationen notwendig, mit deren Hilfe die lokalen Temperaturbedingungen, die Luftfeuchte und Blattnässedauer erfasst werden. Anhand dieser Daten können mögliche Infektionszeitpunkte ermittelt und gegebenenfalls Bekämpfungsmaßnahmen eingeleitet werden. In Rheinland-Pfalz werden u. a. diese Daten durch den amtlichen Rebschutzdienst ermittelt und auf verschiedenen Wegen (E-Mail, Fax, Internet) an die Praxis weitergegeben. Durch Forschungsarbeiten, Versuche, allgemeine und individuelle Beratung werden die Grundsätze des integrierten Pflanzenschutze in die Praxis umgesetzt.

Rebschutz

Biologische und biotechnische Verfahren

Für den Rebschutz gibt es einige biologische und biotechnische Verfahren die sich bereits seit vielen Jahren in der Praxis bewährt haben und mit deren Hilfe auf den Einsatz von chemischen Pflanzenschutzmitteln ganz oder teilweise verzichtet werden kann. Dazu gehören etwa die Förderung von Nützlingen und der Einsatz von Pheromonen oder Bacillus thuringiensis (B. t.) – Präparaten zur Traubenwicklerbekämpfung. Auch die Pflanzung von Pfropfreben zur Reblausbekämpfung kann zu den biotechnischen Verfahren gezählt werden.

Anbau- und kulturtechnische Maßnahmen

Anbau- und kulturtechnische Maßnahmen leisten einen unverzichtbaren Beitrag für die Gesunderhaltung der Reben. Fehler bei der Anlage oder Bewirtschaftung der Weinberge können Probleme mit Krankheiten, Schädlingen und physiologischen Störungen (z. B. Stiellähme) schaffen oder verschärfen. Beispiele dafür sind übertriebene Wüchsigkeit, schlechte Durchlüftung der Laubwand oder die Wahl einer für den Standort ungeeigneten Sorte und/oder Unterlage.

Sorten- und Unterlagswahl

Sortenunterschiede in der Krankheitsanfälligkeit sind zwar bekannt, spielen aber bei der Auswahl einer Rebsorte häufig eine untergeordnete Rolle. Vor allem die Vermarktungsfähigkeit des Weines und die Standort- und Bodenansprüche bestimmen die Sortenwahl. Dennoch sollten z. B. Sorten mit bekannt hoher Anfälligkeit gegen Oidium (z. B. Kerner, Portugieser, Silvaner) nicht an solchen Standorten gepflanzt werden, an denen erfahrungsgemäß ein hoher Oidiumdruck herrscht. Mittlerweile sind auch einige interspezifische Kreuzungen zugelassen, die widerstandsfähig gegen Peronospora und teilweise auch gegen Oidium sind. In der Praxis etabliert hat sich bisher vor allem die Rotweinsorte Regent.
Bei der Wahl der Unterlage ist zu beachten, dass zu stark wüchsige Anlagen anfälliger gegenüber Krankheiten sind. Die Unterlage muss sorgfältig auf die Bodenart, den Standraum und die edelreisspezifischen Eigenschaften abgestimmt werden. So ist z. B. eine Kombination der stark wüchsigen Unterlage 5BB mit dem zu Bodentrauben neigenden Riesling nur auf schwachwüchsigen Böden oder in Anlagen mit sehr weiten Standräumen vertretbar.

Standort Unterlage
verrieselungs- und stiellähmegefährdete Standorte SO4, Binova, 5C, 8B, Börner
chlorosegefährdete Standorte SO4, Binova, 8B, 125AA, 5BB


Anlageform, Erziehung, Laubarbeiten

Weiträumig gepflanzte Rebanlagen sind weniger durch Pilzkrankheiten bedroht, da Blätter und Trauben wegen der besseren Durchlüftung nach Regenfällen schneller abtrocknen. Daher sollten auch die Bogreben nicht übereinander gebogen werden. Der Bau des Drahtrahmens und der richtige Abstand der Biegdrähte voneinander sorgen dafür, dass die Trauben nicht zu dicht beieinander hängen. Die Spaliererziehung mit einer oder zwei Bogreben und einem passenden Stockabstand ist bei Gassenbreiten zwischen 1,80 und 2,20 m ein vorteilhaftes Anbausystem.
Sorgfältige Laubarbeiten verbessern die Durchlüftung der Anlage und beschleunigen das Abtrocknen der Laubwände. Dazu gehören auch das rechtzeitige Ausbrechen der Wasserschosse und ein termingerechter Laubschnitt, solange die Triebe noch gerade stehen. Den besten Effekt gegen die Botrytis erreicht man mit einer Teilentblätterung der Traubenzone. Besonders bei dichtlaubigen/fäulnisanfälligen Sorten ist eine Entblätterung sehr wirksam.

Rebenernährung/Düngung

Eine gezielte bedarfsgerechte Nährstoffversorgung ist für Vitalität und Gesundheit der Reben sowie die Qualität der Weine eine zwingende Voraussetzung. Dabei sind sowohl die Nährstoff­entzüge und –verluste als auch die Bodenvorräte zu berücksichtigen. Gleiches gilt für die ökologischen Auswirkungen der Düngung auf Grund- und Oberflächenwasser, sowie die Atmosphäre.

Literatur

Pflanzenschutzgesetz in der Fassung der Bekanntmachung der Neufassung des Pflanzenschutzgesetzes vom 14. Mai 1998 (BGBl. I S. 971, 1527, 3512)
Rudolf Heitefuß: Pflanzenschutz. Grundlagen der praktischen Phytomedizin. 3. Auflage. Thieme Verlag, Stuttgart 2000.
H. J Aust, H. Bochow, H. Buchenauer et al.: Glossar phytomedizinischer Begriffe. Schriftenreihe der Deutschen Phytomedizinischen Gesellschaft (Band 3). 3., ergänzte Auflage. Ulmer Verlag, Stuttgart 2005
B. Altmayer, B. Fader, M. Harms, R. Ipach, U. Ipach, H.-P. Lipps, K.-J. Schirra, B. Ziegler (2010): Sachkunde im Pflanzenschutz (Weinbau). 6. überarbeitete Auflage. Dienstleistungszentrum Ländlicher Raum (DLR) Rheinpfalz, Abteilung Phytomedizin. Neustadt an der Weinstraße.