Erziehungsformen für Kirschen

Aus Hortipendium
Wechseln zu: Navigation, Suche

Kirschen werden heute mit modernster Kulturtechnik angebaut. Ziel ist es möglichst große Früchte und ein rationelles Arbeiten in den Anlagen, das auch den maschinellen Schnitt mit einschließt. Nicht zuletzt deshalb werden in jüngster Zeit eine ganze Reihe neuer Erziehungsformen getestet.

Die aktuellen Zahlen der Baumobsterhebung zeigen für Deutschland eine annähernd stabile Fläche wie fünf Jahre zuvor. Schaut man genauer hin, muss man feststellen, dass die Zahl der Bäume, also die Pflanzdichte, wiederum stark angestiegen ist. Die Intensivierung des Anbaus begann in den 90er-Jahren mit der Einführung der schwachwuchsinduzierenden Unterlage Gisela 5. Nach Aussagen von Baumschulern hat sie im deutschsprachigen Raum inzwischen einen Marktanteil von über 70 Prozent erreicht.

Spindelerziehung

Wie bei allen Baumobstarten ist die Spindelerziehung in der Einzelreihe das standardisierte Anbauverfahren im professionellen Obstanbau. Dabei wird eine Ertragsorientiert Erziehungsform durch Schnittmaßnahmen in Kombination mit einer entsprechenden Baumzahl je Hektar in einer entsprechenden Anordnung der Bäume zu verstanden. Die positive Wirkung der Spindel auf Ertragsbeginn und Fruchtqualität kann mit Hilfe unterschiedlichster Formierungsmaßnahmen und -strategien erreicht werden. Während in Deutschland derzeit eigentlich nur die Spindelerziehung immer weiter optimiert wird, wird sie in anderen Ländern, allen voran den USA, kritisch auch mit anderen Erziehungsformen verglichen.

Suche nach wirtschaftlicherem Anbauverfahren

Es gibt Gründe, die Spindelerziehung auch bei uns immer wieder auf den Prüfstand zu stellen: - Die Löhne für Erntehelfer steigen in der EU weiter an, und Süßkirschen sind mit 60 bis 80 Stunden/ha für den Baumschnitt und rund 800 Stunden/ha für die Ernte eine äußerst lohnintensive Obstart. Eine mechanische Ernte mit Stiel für den Frischmarkt ist noch nicht absehbar. - Weltweit steigt die Produktion von Süßkirschen, so dass der Anbau hierzulande auch vor einem Preisdruck gewappnet sein sollte. - Optimierung der Baumform für den mechanischen Schnitt und mechanische Blütenausdünnung. - Optimierter Einsatz (Reduktion) des Pflanzenschutzmittel-Aufwands. - Entwicklung neuer Baumformen für den Tunnelanbau oder niedrige Folienkappen. Wie auch in Rheinland-Pfalz werden unter diesen Prämissen derzeit wieder verstärkt Versuche zur Baumerziehung durchgeführt. Einige Kronenformen, die geeignet wären, die obigen Anforderungen zumindest teilweise zu erfüllen, sollen im folgenden vorgestellt werden.

Spanish Bush

Ursprünglich wurde der Spanish Bush im großflächigen spanischen Anbau mit starkwachsenden Unterlagen entwickelt. Kennzeichen sind ein tiefer Anschnitt bei etwa 50 cm des eintriebigen Jungbaumes und in den beiden Folgejahren ebenfalls ein tiefer, verzweigungsfördernder Rückschnitt. Später erfolgt eine horizontale Höhenbegrenzung bei rund 1,80 m Höhe mit dem Mähbalken. Vorläufige Bewertung: Unter den Lichtverhältnissen in Deutschland tritt eine innere Verkahlung und das Absterben von Trieben ein. Hier ist zusätzlich ein manueller Schnittaufwand zur Gestaltung einer Hohlkrone notwendig. Durch den niedrigen Stamm können auch Probleme durch Kaninchenfraß auftreten. Bedingt durch den zunächst starken Rückschnitt ist die Produktivität dieser Erziehungsform gerade in den Anfangsjahren geringer.

Kym Green Bush

Der Kym Green Bush (KGB) wurde von einem australischen Obstbauern auf Basis des Spanish Bush entwickelt. Auch dieser Baum wird in den ersten beiden Jahren tief zurückgeschnitten, um einen niedrigen Stamm und zahlreiche Triebe zu erhalten. Im Kroneninneren wird etwas ausgelichtet. Darauf wird der Schnitt nach folgendem Konzept fortgeführt: Der neu entstandene, senkrechte Langtrieb wächst etwa fünf Jahre lang terminal weiter bei immer schwächer werdendem Triebzuwachs. An den seitlichen Bukett-Trieben sitzen die Kirschen, je jünger die Triebzone, in umso besserer Qualität. Entstehende flache Seitentriebe, die nach außen wachsen, werden belassen, alles übrige Seitenholz entfernt. Nach fünf bis sechs Jahren ist der Trieb abgetragen und wird auf einen 20 bis 30 cm langen, belichteten Zapfen zurückgenommen, aus dem dann wieder ein neuer Trieb hochgezogen wird. Das bedeutet, dass jährlich etwa 20 Prozent der senkrechten Fruchttriebe ausgetauscht werden müssen. Das Pflanzraster für mittelstarke Unterlagen (zum Beispiel Gisela 6) beträgt 2,0 bis 2,5 m x 5 bis 5,5 m. Vorläufige Bewertung: Das Erziehungssystem ist gut geeignet für wenig verzweigende, aufrecht wachsende Sorten wie Lapins, Sylvia oder Samba. Bei anderen Sorten erhöht sich der Schnittaufwand für das Entfernen überzähliger und beschattender Seitentriebe. Die Pflückleistung ist hoch, da ein Großteil der Ernte vom Boden aus erfolgen kann. Durch den niedrigen Stamm ist das System anfällig für Kaninchenfraß. In Rheinland-Pfalz wird es derzeit mit zwei unterschiedlich wachsenden Sorten getestet.

Upright Fruiting Offshoots

Seit rund fünf Jahren macht das von Matthew Whiting von der Washington State University entwickelte Upright Fruiting Offshoots System (UFO) von sich reden. Es ist im Prinzip die Weiterentwicklung des Kym-Green-Busches am Drahtrahmen. Der eintriebige Jungbaum, veredelt auf einer mittelstarken Unterlage, wird schräg gepflanzt und leicht über die Waagerechte in rund 70 cm Höhe an einem Draht fixiert. Die oberseits entstehenden Triebe werden auf einen Abstand von etwa 30 cm vereinzelt. Seitlich wegwachsende Triebe werden weggeschnitten. Auch hier wird das Prinzip der Triebrotation verfolgt. Das heißt, jährlich werden 20 Prozent der Triebe zurückgeschnitten. Zu starke Triebe, meist in der Nähe der Stammbasis, werden zuerst zurückgenommen. Unter wüchsigen Verhältnissen ist die Erziehung einer zweiten waagrechten Achse möglich. Vorläufige Bewertung: Diese Baumform kommt den eingangs genannten Anforderungen relativ nahe und ist einfach umzusetzen. Bezüglich der Ertragshöhe gibt es noch widersprüchliche Versuchsergebnisse, die sicher auch stark von der Fruchtbarkeit und dem natürlichen Wachstum der Sorte abhängen. So liegt das System mit Skeena nach Untersuchungen im belgischen Sint-Truiden am Anfang ertragsmäßig unter der Spindel, es kann aber auch darüber liegen, wie am Standort Oppenheim für Samba in Tests ermittelt wurde.


Norditalienische Superspindel Super Spindelanbau

Von Stefano Musacchi von der italienischen Universität Bologna wurde die Superspindel (italienisch: asse centrale, englisch: super spindle axe) auf den Unterlagen Gisela 5 bzw. Gisela 6 zu neuem Leben erweckt. Der Reihenabstand beträgt 3,50 m, der Baumabstand 0,5 m für Gisela 5 bzw. 0,8 m für Gisela 6. Das Fruchtholz ist ausschließlich die Basis einjähriger Triebe, deren Blütenknospen die größten Früchte bringen. Bukett- Triebe sind als Fruchtholz nicht gewünscht. Nach dem Tragen, nach der Ernte oder im Winter, werden diese Triebe auf drei vegetative Knospen entfernt, um einen achsennahen Neuaustrieb zu erhalten. Die neuen Triebe werden im August zur Stärkung der basalen Blütenknospen etwas eingekürzt. Man bewegt sich bewusst auf einem mittleren bis niedrigen Ertragsniveau, das heißt zwischen 0,8 und 3 kg pro Baum, um Premiumfrüchte größer 30 mm zu erzielen. Vorläufige Bewertung: Für dieses Erziehungssystem ist eine intensive manuelle Schnittführung nötig, die bewusst auf eine Reduktion des Blühpotenzials ausgerichtet ist. In Regionen mit Spätfrostgefahr ist dies nicht ohne Risiko.

Fruchtwand

Wie bei den Äpfeln kommt die Idee der Fruchtwand aus dem Nachbarland Frankreich. Auf der schwachen Unterlage Tabel werden dort die Bäume in Einzelreihen im Abstand von 3,50 m x 1,50 m als schlanke Spindel aufgebaut. Die Bäume werden bis zum zweiten Blatt konventionell erzogen. Ab dem dritten Blatt wird das erste Mal mechanisch geschnitten, vertikal auf jeder Seite 40 cm vom Stamm entfernt, horizontal in 2,20 m Höhe. Der Schnitttermin ist kurz vor der Blüte, bei starkem Wachstum noch einmal kurz vor der Ernte. Ein begleitender Winterschnitt ab dem fünften Jahr mit maximal 30 Stunden/ha wird bei vielen Sorten als sinnvoll erachtet, um dem Rückgang der Fruchtgröße entgegenzuwirken. Vorläufige Bewertung: Mehrjährig angelegte Versuche zur Bewertung von Ertragspotenzial, Arbeitszeitbedarf und Fruchtqualität sind in Deutschland angelaufen, so seit vergangenem Jahr in Augustenberg. Das Erziehungssystem ist auch geeignet für die mechanische Blütenausdünnung. Es deutet sich an, dass die Bäume ähnlich reagieren wie beim Apfel und dass das System hierzulande praktikabel ist

Quellenangabe

Balmer, M.: http://www.poma-online.de/Erziehungsformen-fuer-Kirschen,QUlEPTM3OTQyNDgmTUlEPTczNjk4.html