Fingerhut

Aus Hortipendium
Wechseln zu: Navigation, Suche
Fingerhut
Digitalis spp.
Digitalis purpurea.jpg
Digitalis purpurea
Systematik
Klasse Bedecktsamer
Magnoliopsida
Gruppe Eudikotyledonen
Kerneudikotyledonen
Asteriden
Euasteriden I
Ordnung Lippenblütlerartige
Lamiales
Familie Braunwurzgewächse
Scrophulariaceae
Gattung Digitalis

Der Fingerhut (Digitalis) gehört zur Familie der Braunwurzgewächse (Scrophulariaceae). Sowohl der lateinische wie auch der deutsche Name beschreibt die die röhrig-glockige Blütenform dieser Pflanze. Von den kanarischen Inseln bis nach Mittelasien finden sich 25 Arten der Gattung Digitalis. Davon sind in Mitteleuropa 6 Arten in der Natur zu finden, von denen der Rote (Digitalis purpurea), der Gelbe (Digitalis lutea) und Großblütige Fingerhut (Digitalis grandiflora) ursprünglich bei uns heimisch sind. Die anderen Arten stammen aus Südeuropa und sind, von Gärten ausgehend, teilweise verwildert.
Fingerhut ist eine der klassischen Pflanzen des Bauerngartens sowie eine beliebte Pflanze in romantischen Gärten. Aus der Blattrosette erhebt sich der Blütenstängel mit vielen Einzelblüten, die in einseitiger überhängender Traube angeordnet sind. Dabei ist die Blütenfarbe, ganz gleich ob gelb, orange oder rot immer in einem etwas gedämpften, eher pudrig-pastelligen Ton dieser Farbe gehalten und passt sich somit wunderbar in den Blütenreigen anderer Schatten- oder Halbschattenpflanzen ein.

gelber Fingerhut (Digitalis lutea)
Typische Waldrandsituation mit Fingerhut

Gift- und Heilpflanze

Für viele Menschen hat diese Pflanze eine Aura des Geheimnisvollen, schon fast Magischen. Dies liegt zum einen an den oft verwunschen anmutenden Standorten im lichten Schatten von Gehölzen, zum andern an ihrer zwiespältigen Eigenschaft: Digitalis ist sowohl eine hochwirksame Heil- als auch starke Giftpflanze. Es ist belegt, dass Fingerhutblätter ab dem 12. Jahrhundert äußerlich gegen Geschwüre und zur Wundheilung eingesetzt wurden. Heute werden daraus hochwirksame Herzmedikamente gewonnen. Allerdings gilt auch hier was Paracelsus (1494 - 1541 ) sagt: „Alle Dinge sind Gift, und nichts ohn‘ Gift, allein die Dosis macht , dass ein Ding kein Gift ist“. Die Dosis für Heilwirkung und Vergiftung liegen beim Fingerhut sehr eng zusammen. Alle Fingerhutarten enthalten in allen Pflanzenteilen giftige Substanzen, die zu schweren Herzrythmusstörungen führen können. Neben dem Roten Fingerhut (Digitalis purpurea), der im Jahr 2007 in Deutschland zur Giftpflanze des Jahres gewählt wurde, ist für die pharmazeutische Industrie auch der Wollige Fingerhut (Digitalis lanata) durch seinen besonders hohen Wirkstoffgehalt von Bedeutung. Diese aus Südosteuropa stammende Fingerhutart wird inzwischen feldmäßig angebaut. Der Wollige Fingerhut hat einen weiß-braunen Blütenstand und wird bis zu einem Meter groß. Grundsätzlich sollte man Fingerhüte nicht in Gärten anbauen, in denen sich Kleinkinder aufhalten, denn gerade bei Kindern kommt es oft zu Vergiftungen. Ältere Kinder sollte man über die Gefahren, die von giftigen Pflanzen ausgehen, rechtzeitig aufklären.

Zuordnung

Vielfach findet man den Fingerhut in Büchern oder Samenkatalogen den zweijährigen Pflanzen zugeordnet, in anderen wiederum den Stauden. Zur weiteren Verwirrung trägt bei, dass sich bei einzelnen Arten oder Sorten Hinweise finden wie “…ausdauernder als..“ Muss er also immer wieder ausgesät werden oder habe ich viele Jahre Freude an ihm? Tatsächlich ist der Fingerhut hier nicht eindeutig zu zuordnen. Häufig verhält er sich wie eine zweijährige Pflanze: Im Saatjahr entwickelt er nur eine Blattrosette, im zweiten Jahr kommt er zur Blüte. Danach kann er absterben, oft übersteht er jedoch den Winter nach der Blüte und blüht erneut. Damit ähnelt er einer kurzlebigen Staude und es wird daher manchmal der Begriff Halbstaude verwendet. Ob der Fingerhut zweijährig oder eher eine Halbstaude ist, hängt von verschiedenen Faktoren ab. So erzeugt ein Rückschnitt nach der Blüte oft eine zweite Blüte. Dies kann sich einige Jahre wiederholen, doch dann stirbt sie ab. Auch gibt es Sortenunterschiede. Da sich Fingerhut jedoch sehr gut selbst aussät, entsteht oft auch der Eindruck, der Fingerhut würde viele Jahre lang blühen. Dabei handelt es sich jedoch immer wieder um Jungpflanzen, die zur Blüte kommen. Einige Fingerhutarten sind jedoch tatsächlich Stauden.

Fingerhutarten

Je nach Digitalis-Art und der jeweiligen Sorte gibt es große Unterschiede in Höhe und Farbe. Bei dem Gartenfingerhut handelt es sich häufig um Sorten des roten Fingerhutes (Digitalis purpurea). Die meisten diese Sorten können um 1,5 m hoch werden.
Im Handel werden auch bunte Samenmischungen von Digitalis purpurea Sorten angeboten.

Einige Digitalis purpurea - Sorten
Sorte Blüte Blütezeit Höhe
Gloxiniaeflora 5 cm große, rote Blütenglocken Juni - Juli bis 150 cm
Alba 5 cm große, weiße Blütenglocken Juni - August bis 150 cm
Candy Mountain aufwärtsschauende, dunkelrosa Blüten Juni - August bis 140 cm
Suttons Apricot aprikosenfarbig Juni - August bis 150 cm
Primrose Carousel große blassgelbe, weinrot gesprenkelte Blüten Juni - August bis 75 cm


Digitalis-Art Blüte Blütezeit Höhe Gruppe
Rostiger Fingerhut
(D. ferruginea)
mattgelb, rotbraune Adern Juni bis August bis 180 cm 2-jährig / Halbstaude
Großblütiger Fingerhut
(D. grandiflora)
hellgelbe Blüte mit braunen Adern Juni bis Juli bis 100 cm 2-jährig / Halbstaude
Balkanfingerhut
(D. laevigata)
bräunlich gelb Juni bis August bis 80 cm Staude
Wolliger Fingerhut
(D. lanata)
weißlich bis hellocker, mit dunkleren Adern, im Blütenbereich wollig Juni bis September bis 100 cm 2-jährig/ Halbstaude
Gelber Fingerhut
(D. lutea)
gelbliche Blüte, kleinblumig Juni bis August bis 80 cm Staude
Englischer Fingerhut
(Digitalis X mertonensis =
D. grandiflora X D.purpurea)
lachsrosa Mai bis Juli bis 120 cm Staude
Iberischer Fingerhut
(D. thapsi)
purpurrosa Juni bis August bis 60 cm Staude

Anzucht

Die beste Aussaatzeit ist für Fingerhut direkt nach der natürlichen Samenreife – also während der Sommermonate -, wenn er sich auch selbst aussäen würde. Eine Aussaat im Frühjahr (März/April) unter Glas ist jedoch auch möglich. Obwohl man direkt ins Beet säen kann, hat es sich in der Praxis bewährt, unter kontrollierten Bedingungen auf steriler Aussaaterde auszusäen. Den feinen Fingerhutsamen mischt man am Besten mit feinkörnigem Sand, damit nicht zu dicht gesät wird. Der Samen wird nur angedrückt (Lichtkeimer) und vorsichtig mit einem Zerstäuber angefeuchtet, denn ein schärferer Wasserstrahl lässt das Saatgut sehr schnell wegschwemmen! Wichtig ist, dass die Erde gleichmäßig feucht bleibt, also nie austrocknet aber auch nicht vernässt. Sobald sich die Keimblätter voll entwickelt haben und die ersten Folgeblätter entfaltet sind, ist es Zeit zum Pikieren. Die Sämlinge werden dann in kleine Töpfchen oder Multiplatten in nährstoffarme Anzuchterde gepflanzt. Sobald sich dann kräftige kleine Pflanzen entwickelt haben, kommen sie an ihren endgültigen Standort im Garten.

Standort

Die meisten Fingerhutarten sind Waldrandpflanzen und bevorzugen einen Standort, der dieser natürlichen Umgebung nahe kommt: nährstoff- und humusreiche, feuchte, gut durchlässige Böden im wandernden Schatten lichter Bäume. Je nach Fingerhutarten gibt es jedoch davon abweichende Ansprüche.

Deutscher Name Botanischer Name Standortansprüche
Rostiger Fingerhut Digitalis ferruginea mäßig nährstoffreiche, gut durchlässige Böden an sonnigen bis halbschattigen Standorten; verträgt trockene Böden
Großblütiger Fingerhut Digitalis grandiflora kalkhaltige, humose, durchlässige, frische Böden im Halbschatten
Balkanfingerhut Digitalis laevigata sonniger bis halbschattiger Standort in durchlässigen aber nicht zu mageren Böden
Wolliger Fingerhut Digitalis lanata bevorzugt leichte bis mittelschwere Böden, auch kalkhaltige Böden geeignet, sonnig bis halbschattig
Gelber Fingerhut Digitalis lutea sonnig bis halbschattig auf frischen Böden
Englischer Fingerhut Digitalis X mertonensis =
D. grandiflora X D. purpurea
feuchte, gut durchlässige Böden in absonniger Lage, verträgt jedoch auch trockene Böden in sonniger Lage
Roter Fingerhut Digitalis purpurea kalkarme, nährstoff- und humusreiche, feuchte, gut durchlässige Böden im wandernden Schatten lichter Bäume
Iberischer Fingerhut Digitalis thapsi frische, sonnige Lagen auf Freiflächen

Fingerhüte sind für naturnah gestaltete Gärten und Heidegärten mit Polsterpflanzen besonders geeignet. Hier kommen sie vor dunklen Nadelgehölzen und Farnen gut zur Geltung. Aber auch alle Waldrandsituationen im Garten, also Vorpflanzungen vor Ziersträucherrabatten oder Unterpflanzungen von lichten Bäumen, bieten sich als Standort für den Fingerhut an. Zusammen mit anderen Halbschatten liebenden Pflanzen wie Silberkerze, Elfenblume, Waldsteine, Schaumblüte, Ballonblume und Gräsern wirken sie hier sehr gut. Dabei sollte der Fingerhut - je nach Art- in Gruppen von 3-10 Pflanzen (Digitalis gradiflora) bzw. 10 – 20 Pflanzen (Digitalis purpurea) gepflanzt werden, damit er optimal zur Geltung kommt.

Quelle

Walter Erhardt, Erich Götz, Nils Bödeker, Siegmund Seybold (2002): Zander - Handwörterbuch der Pflanzennamen. Verlag Eugen Ulmer. Stuttgart. ISBN 3-8001-3573-6

Hans Jessen und Helmut Schulze (1997): Botanik in Frage und Antwort. Verlag M. & H. Schaper. Alfeld-Hannover. ISBN 3-7944-0186-7

Der Fingerhut - ein Blickfang im sommerlichen Garten, Eva Morgenstern, DLR Rheinpfalz, Gartenakademie Rheinland-Pfalz